Drachentempel 01 - Sternenträume
Probleme ersparen. »Heute ist alles ruhig«, sagte sie leise. »Das Prime hat keinerlei verschlüsselte Signale im Spacecom-Netz entdeckt.«
»Sie werden trotzdem kommen«, sagte Josep.
Er klang verständnisvoll, ganz ähnlich dem alten Josep. Er schien ihre Frustration bemerkt zu haben; er war stets der emotional empfänglichere der beiden gewesen. Sie lächelte ihm verhalten dankend zu. Er besaß ein breites Gesicht mit hohen Wangenknochen und hübschen braunen Augen. Sein dichter blonder Haarschopf wurde von einem dünnen Lederband aus der Stirn gehalten – das Geschenk einer seiner vielen früheren Freundinnen. Raymond war vom Typ das genaue Gegenteil. Sein Gesicht war rund, die Nase schmal, das dunkle Haar kurz geschoren. Sie sah von einem zum anderen. Raymond trug nichts weiter als eine alte grüne Shorts, und Joseps Hemd stand vorne offen. Ihre Körper waren die von Zwillingen. Sie fragte sich, ob es den Mädchen auffiel, mit denen sie das Bett teilten.
»Ich weiß.« Sie verdrängte ihre abschweifenden Gedanken. »Irgendetwas Neues von eurer Seite?«
»Offen gestanden – ja«, sagte Ray. Er deutete auf die beiden Mädchen. »Sally kommt aus Durrell. Sie geht dort zum College und studiert Geologie.«
»Gut, das klingt viel versprechend.«
»Außerdem haben wir einen möglichen Kontakt, der vielleicht überprüft werden sollte«, sagte Josep. »Sein Name lautet Gerard Parry. Er hat heute bei meinem einwöchigen Taucherlehrgang angefangen. Wir sind ins Reden gekommen. Er ist von hier, arbeitet oben bei Teterton Synthetics im Vertriebsmanagement.«
Die d-geschriebenen neuralen Zellen in Denises Gehirn verbanden sich mit dem Pearl-Ring an ihrem Zeigefinger. Das Prime-Programm lieferte eine kurze Zusammenfassung von Teterton, und vor ihrem geistigen Auge materialisierten die Details einer kleinen chemischen Produktionsfirma, die einheimische Nahrungsmittelhersteller mit speziellen Vitamin- und Proteinbeimischungen belieferte. »Wie klang er? Steht er auf unserer Seite?«
»Das herauszufinden ist deine Aufgabe. Aber ein Kontaktmann dort könnte sehr nützlich werden. Uns fehlen immer noch einige Substanzen.«
»In Ordnung. Wie kann ich ihn treffen?«
»Wir haben ihm ein Blind Date versprochen. Heute Abend.«
»Du meine Güte!«, stöhnte sie. Ihr blieb kaum genug Zeit, um nach Hause zu gehen und sich umzuziehen.
»Er ist ein netter Kerl!«, protestierte Josep. »Ich finde ihn sympathisch. Empfindsam, fürsorglich, all das, worauf ihr Frauen steht.«
»Alles, wenn er nur nicht so ist wie du!«, giftete Denise zurück.
»Aua.« Er grinste. »Nun, hier ist deine Chance, es vorzeitig herauszufinden. Da kommt er.«
»Was?«
Ray stand auf und winkte fröhlich. Denise wandte sich um und sah einen Fremden herankommen. Mitte Dreißig, übergewichtig, mit dünner werdendem Haar. Er besaß das zurückhaltende Lächeln eines leidenschaftlichen Junggesellen, der verzweifelt zu verbergen trachtete, wie verzweifelt er nach einer Partnerin oder einem Partner suchte. Am rechten Handgelenk trug er ein breites, schwarz glänzendes PSA-Armband. Mehrere Mädchen in seiner Umgebung überprüften ihre richtungsanzeigenden Displays und sahen dann hastig weg.
Denise erhob sich, um ihn zu begrüßen, und ihr linker Absatz fand Joseps nackte Zehenspitzen.
Sie kehrte erst weit nach elf Uhr abends wieder nach Hause zurück. Zu diesem Zeitpunkt war ihr anfänglicher unterschwelliger Zorn längst einer stumpfen Gleichgültigkeit gegenüber der Welt gewichen. Sie wollte nur noch so schnell wie möglich ins Bett und den ganzen Abend vergessen.
Trotz seines Aussehens war Gerard Parry kein übler Mann. Er konnte eine Unterhaltung am Leben erhalten, wenigstens über einheimische Themen, und war bereit, anderen bis zu einem gewissen Punkt zuzuhören. Er kannte sogar ein paar Witze, auch wenn ihm die Nonchalance fehlte, sie richtig zu erzählen. Sie konnte sich vorstellen, wie er angestrengt versuchte, einen Witz zu behalten, den er im Büro gehört hatte.
Zu Beginn hatten sie zusammen mit Ray und Josep ein paar Drinks genommen, sehr zur Bestürzung der beiden Mädchen. Dann war das Thema auf das Abendessen gekommen, und Josep hatte es irgendwie fertiggebracht, dass sie sich trennten. Gerard hatte Denise in ein einigermaßen gutes Restaurant geführt, und sie hatte die Gelegenheit ausgenutzt, ihn über seine politischen Ansichten auszuhorchen. Von diesem Augenblick an war alles schief gelaufen.
Denise wusste nie, wie viel
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