Drachentempel 01 - Sternenträume
selbst dieser Übergang war sanft. Es gab keinen Winterschlaf, keine Migration über Ozeane, und die Pflanzen waren ausnahmslos Immergrün.
Wie als Reminiszenz an die Normalität gab es vereiste Polkappen – doch die ungewöhnliche Form und Lage der einzigen temperierten Klimazone Amethis kam ausschließlich durch den Orbit zustande. Der Planet befand sich im Gravitationstrichter von Nizana, und die Hemisphäre, die dem gewaltigen Gasriesen zugewandt war, erhielt das wenigste Sonnenlicht. Es herrschte ständige Dunkelheit aufgrund ewiger Superkonjunktion, und dort in der Dunkelheit war es kühler als in den umgebenden Tropenzonen. Das Leben dort war langsamer und robuster als überall sonst auf der Oberfläche.
Die Evolution schritt ganz normal voran, bis der Asteroid durch Nizanas gewaltiges Gravitationsfeld eingefangen wurde. Zweihundert Millionen Jahre, nachdem die ersten primitiven Amöben angefangen hatten, sich zu teilen, waren die Meere voller Fische, und Pflanzen hatten das Land erobert. Es gab große Insekten mit federleichten Flügeln und Kleinlebewesen, die nicht weit von der terranischen Reptilienwelt entfernt waren. Alle starben in den Nachwehen des Einschlags.
Die Explosion wirbelte genug Staub und Dampf in die Atmosphäre, um die gesamte Oberfläche damit zu bedecken. Es war der Auslöser für die ultimative Eiszeit. Die Gletscher, die sich von den Polarkappen her ausbreiteten, überzogen die merkwürdige gemäßigte Zone immer weiter, bis sie sich am Äquator tatsächlich trafen. Meere, Ozeane und Seen verloren ihr Wasser an den einzelnen Riesengletscher, während er ständig weiter expandierte. Überall sanken die Temperaturen drastisch, und zusammen mit dem Verlust an freiem Wasser und der verdunkelten Atmosphäre führte dies zum Absterben sämtlichen Lebens mit Ausnahme der widerstandsfähigsten Bakterien. Amethi fiel zurück in einen nahezu jungfräulichen Zustand. Doch nachdem nun ein Fünftel der Oberfläche mit einer mehrere Kilometer dicken Eisschicht bedeckt und der Rest zu einer marsartigen Wüste geworden war, gab es keinen potentiellen Katalysator mehr, der eine Änderung hätte herbeiführen können. Amethi war in Stasis gefangen. Die Isostarre.
Für die Konzernleitung von McArthur war Amethi die perfekte Welt. Eine atembare Atmosphäre und kein einheimisches Leben. Für jede andere Welt, in die investiert wurde, hätte man zuerst eine terrestrische Biosphäre importieren und etablieren müssen. Auf Amethi musste keine existierende Biosphäre ausgelöscht werden, um Raum zu schaffen. Es war nur ein leichter Temperaturanstieg erforderlich, um die Isostarre zu beenden und einen normalen meteorologischen Zyklus zu ermöglichen.
Templeton wurde im Jahre 2115 gegründet. Zuerst kaum mehr als eine Ansammlung vorgefertigter Iglus mit einer einzigen Straße, die zu einem in die gefrorenen Dünen planierten Rollfeld führte. Die Ingenieure und Techniker, die hierher kamen, hatten die Aufgabe, eine Industrie zu schaffen, die sich selbst versorgen konnte. Die Idee war, dass man nach der anfänglichen Investition nur noch einheimische Rohstoffe auf der einen Seite hineinschaufeln musste, damit letzten Endes jedes gewünschte Produkt auf der anderen Seite zum Vorschein kam. Danach würden die einzigen Importe aus Menschen und neuen Konstruktionsplänen bestehen, mit deren Hilfe die ersten Fabriken aufgerüstet und erweitert wurden. Es kostet nichts, Informationen zwischen den Sternen zu transportieren, und die Menschen würden sich ihre Tickets zu einer neuen Welt mit ihren unendlichen Möglichkeiten selbst kaufen.
Im Verlauf der ersten drei Jahre waren Raumflugzeuge damit beschäftigt, Fracht von acht Schiffen aus dem Orbit nach unten zu schaffen. Am Ende dieser Frist waren kälteisolierte industrielle Anlagen und Fabrikationskomplexe in der Lage, den größten Teil der Bedürfnisse der neu entstehenden Kolonie zu befriedigen. Doch nicht alle. So war es immer – ein paar spezialisierte Systeme oder chemische Ausgangsverbindungen oder Ersatzteile, die nur die Erde mit ihren überreichen Produktionsanlagen liefern konnte. Wieder und wieder bat der Gouverneur von Templeton die Konzernleitung um weiteres Material, ohne dessen Lieferung das gesamte Projekt zu scheitern drohte.
Es war kein Problem, das nur Amethi oder gar nur McArthur betraf. So sehr die AS-Managementprogramme sich auch bemühten, die Industrie der Koloniewelten im Rahmen ihrer Budgets auf dem technologischen Stand zu halten, die
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