Drachentempel 01 - Sternenträume
er am nächsten Tag nach Ulphgarth zu einer Konferenz musste. »Lust mitzukommen?«
Lawrence blickte seine Geschwister an und wartete darauf, dass eines sich meldete. Dann wurde ihm bewusst, dass alle ihn anstarrten, einschließlich seinem Vater. »Was denn, meinst du mich?«
»Ja, dich, Lawrence.« Doug Newtons Lippen zuckten und verrieten seine typische heimliche Belustigung.
»Warum denn?«, brummte Lawrence mit plötzlich erwachendem Misstrauen.
»Meine Güte!« Doug Newton rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. »Also schön. Warum eigentlich? Vielleicht um dein vorbildliches Benehmen zu belohnen? Oder deine Zeugnisse? Oder vielleicht auch nur, um deine Datapool-Zugriffe diesen Monat unter der Tausendergrenze zu halten? Was glaubst du, Lawrence? Warum sollte ich so freundlich sein zu meinem ältesten Sohn?«
»Warum sagst du immer so etwas? Warum musst du immer so verdammt sarkastisch sein? Warum kannst du nicht fragen wie ein normaler Mensch?«
»Du meinst ungefähr so, wie ich die Frage eingangs gestellt habe?«
Lawrence lief puterrot an, als seine Geschwister auf seine Kosten anfingen zu kichern. Er funkelte sie der Reihe nach an, wütend auf sich selbst, weil er sich auf so billige Weise hatte reinlegen lassen. Trotzdem, es war höchst ungewöhnlich, dass sein Dad ihn fragte … »Was gibt es denn dort zu sehen?«, fragte er in einem Ton, als könnte ihn nichts im Universum an Ulphgarth interessieren. Nicht, dass er je zuvor von Ulphgarth gehört hätte.
»Ein erstklassiges Konferenzzentrum beispielsweise, wo wir die letzten Einzelheiten mit möglichen Auftragnehmern für die neue Brücke über den Blea aushandeln.«
»O ja, prima, danke. Als würdest du mich bei so etwas dabei haben wollen.«
»Ich werde an dieser Konferenz teilnehmen. Du kannst solange im Fünf-Sterne-Hotel nebenan bleiben. Einer meiner Berater ist ausgezogen, doch das Zimmer ist bereits bezahlt und steht leer. Du kannst so lange schlafen, wie du möchtest, meinetwegen die ganzen fünf Tage. Du kannst dir vierundzwanzig Stunden am Tag Essen auf das Zimmer bringen lassen. Es gibt ein voll ausgestattetes Fitnesscenter, und die Benutzung des Swimmingpools ist für Gäste frei. Die Kuppelbeleuchtung ist tropisch, genau wie das Klima, falls du dich draußen hinlegen und dich bräunen willst. Dein Zimmer besitzt unbeschränkten Zugriff auf den Datapool. Jede Nacht gibt es Live-Musik. Du musst mich nicht sehen und nicht einmal jedes Mal mit mir essen, wenn du nicht willst. Also, wie sieht es aus … willst du deiner Mutter ein paar Tage Ruhe gönnen, bevor das Halbjahr anfängt?«
Lawrence sah zu seiner Mutter, die mutig zurücklächelte. Die Linien in ihrem Gesicht waren seit der Geburt seines jüngsten Bruders nicht mehr gewichen. Er wusste, dass sie vom Arzt verschriebene Antidepressiva einnahm und mit Wodka herunterspülte, und er hasste sie dafür, dass sie so schwach war. Er hasste sich noch mehr, dass er sich ihr gegenüber so gemein benahm. Es war diese verdammte beschissene Welt, die so korrupt war. »Ich … Ja. Großartig. Klingt cool. Danke.«
»Danke. Gütiger Gott, die Wunder auf diesem Planeten hören niemals auf, was?«
Lawrence verkniff erneut das Gesicht.
Drei Tage später vergnügte er sich zwar immer noch nicht, doch er entspannte sich ein wenig. Das Hotelgebäude war in einer eigenen Kuppel untergebracht, ein fünfzehnstöckiges Dreieck aus breiten Glasfronten und Balkonen genau im Zentrum. Von überall konnte man den üppigen, grünen Park sehen. Es schien, als blühten jeder Busch und jede Blume gleichzeitig. Zweige und Äste besaßen eine Vitalität, die normalen Pflanzen fehlte. Man konnte fast zusehen, wie sie wuchsen. Das zähe Bermuda-Gras wurde jede Nacht gemäht, und doch war es am Morgen so, als ginge man über einen dichten Teppich aus Schwamm.
Lawrence lehnte sich auf seiner Sonnenliege zurück und bewegte die Schultern, bis das Kissen richtig behaglich war. Die großen Lichter oben an der Decke waren wärmer als zu Hause in der tropischen Kuppel seiner Familie und sandten genug Strahlung aus, um ihn zu durchtränken. Er hatte einen Fleck gefunden, am Rand des gepflasterten Runds, das den großen Swimmingpool umgab, abgelegen von allen anderen, doch nahe genug bei der Bar, um den Kellner herbeizuwinken. Erstaunlicherweise fragte niemand nach seinem Alter, wenn er sich Drinks kommen ließ. Er hatte am Tag zuvor mit Bier angefangen, bevor er sich an der Cocktailkarte versucht hatte. Einige
Weitere Kostenlose Bücher