Drachentempel 02 - Drachenfeuer
von Memu Bay hielt kollektiv den Atem an. Nach all den Unruhen und den emotionalen Zornesausbrüchen, die damit einhergegangen waren, hatten sich die Leute endlich ein wenig beruhigt. Vielleicht waren sie schockiert über die mögliche Todesstrafe – nicht, dass irgendjemand dagegen protestiert hätte. Was auch immer der Grund war, die Trams verkehrten normal, und die meisten Läden schienen geöffnet. Nirgendwo war ein Zeichen von patrouillierenden Skins auf den Straßen zu sehen. Nur wenige Leute waren am Strand und genossen Sand und Wasser. Und Denise wusste, dass die hastig zusammengestellten Arbeiterräte in den großen requirierten Fabriken heute zusammentreten würden, um über eine Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu beraten.
Trotzdem zögerten einige Eltern offensichtlich noch immer, ihre lieben Kleinen so früh aus den Augen zu lassen, nachdem die Stadt tagelang ausgesehen hatte, als könne sie hochgehen wie ein Pulverfass. Ironischerweise gehörte ausgerechnet Melanie Hazledine zu den Kindern, die erschienen waren. Francine hatte sie gebracht, und beide hatten hinten in einer großen schwarzen Limousine mit abgedunkelten Fenstern gesessen.
Denise beobachtete durch das Küchenfenster, wie sich die beiden Mädchen verabschiedeten. Melanie rannte in das Gebäude, um mit aufgeregtem Kreischen ihre Freundinnen zu begrüßen. Sie war seit einer Woche nicht mehr in der Vorschule gewesen.
»Wie geht es dir?«, fragte Denise leise.
»Gut«, sagte Francine und lächelte tapfer. »Ich mache mir nur Sorgen, wie nah diese Geschichte Daddy geht. Ich hätte nicht gedacht, dass es ihn so schlimm treffen würde.«
»Du kannst es ihm später erzählen, wenn du willst, nachdem diese Bastarde wieder weg sind.«
»Meinst du, ich sollte?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Denise aufrichtig. »Du würdest ihn erneut schockieren, so viel steht fest. Die Tatsache, dass seine liebe kleine Tochter Mitglied einer Widerstandsgruppe war und was sie getan hat, um ihrer Sache zu helfen …«
»Hat es geholfen?«
Denise legte die Hände auf die Schultern der Jüngeren, um ihre Dankbarkeit für das, was sie getan hatte, Ausdruck zu verleihen. »O ja. Sieh dich doch nur um. Sieh nur, was du erreicht hast! Sie können keine Patrouillen mehr durch unsere Straßen schicken. Weißt du, wie viel das den Menschen bedeutet? Nicht den Kopf einziehen und aus dem Weg gehen zu müssen, weil eine Bande von arroganten Schlägern über das Pflaster entgegen kommt? Und ihre Beutebemühungen haben einen finanziellen Rückschlag erlitten, von dem sie sich nicht wieder erholen werden. Sie werden keinen Cent an uns verdienen. Das alles hast du allein ermöglicht.«
»Ja.« Francine richtete sich auf und lächelte strahlend. »Das war ich. Der arme Daddy.«
»Sag es ihm, wenn du meinst, dass es ihm hilft. Soll er mir die Schuld geben; vielleicht ist es dann leichter für ihn. Wir werden aus dieser Sache nicht als die Opfer hervorgehen, denn wir sind es nicht. Sie sind es diesmal selbst.«
»Danke, Denise.« Francine beugte sich vor und küsste sie. »Du bist so stark. Wir brauchen dich, um sie zu schlagen. Ich möchte nicht, dass meine Kinder die Sterne fürchten müssen, wie ich es getan habe.«
Denise drückte sie. »Das werden sie nicht. Ich verspreche es dir.«
Nachdem alle Kinder eingetroffen waren, rief Denise sie zusammen und teilte die Media-Pads aus. Es war stets eine beliebte Beschäftigung. Sie spielte ihnen ein paar Melodien zum Mitsingen vor, während sie wunderbare regenbogenfarbene Dinge erschufen. Sie ging die Reihe entlang, und jedes Kind hielt ihr sein Werk zu Begutachtung hin. Sie machte Vorschläge zur Verbesserung und lobte und ermutigte ohne Ende.
Dann war Frühstückspause, und die Kinder tranken Saft und aßen Biskuits. Denise saß bei ihnen und trank ihren eigenen Tee.
»Erzählen Sie uns die Geschichte zu Ende, Miss!«, bat eines der Kinder. Die anderen schlossen sich in einem Chor von »Bitte, Miss!« an.
Denise tat, als zögerte sie, und stellte ihre Teetasse ab. »Es sind aber nicht alle da, und ich muss sie später noch einmal erzählen.« Was ihr einen Chor von Jubelrufen einbrachte.
»Also schön«, sagte sie mit einem gespielten Seufzer. »Ich denke, dann werde ich mal.« Schließlich, überlegte sie, schließlich weiß ich nicht, wie lange ich noch hier sein kann. Der Gedanke dämpfte ihre Stimmung; selbst angesichts der unglaublichen Möglichkeiten, die die Zukunft für sie bereithielt, würde sie diese
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