Drachentempel 02 - Drachenfeuer
enttäuscht. Keine offene Empörung, doch Denise wusste, dass sie sich betrogen fühlten.
»Das ist alles?«, fragte Melanie schließlich.
»Ich fürchte ja«, gestand Denise freundlich. »Und was habt ihr nun aus Mozarks Reise gelernt?«
»Nichts!«, rief einer der Jungen. Die anderen kicherten.
»Das stimmt nicht ganz«, sagte Denise. »Ich habe eine Menge gelernt, und ich denke, das gleiche gilt für euch. Die Moral von der Geschichte ist einfach: Diese Technologie, die wir haben, und ich bin die Erste, die zugibt, dass es eine fabelhafte Technologie ist, darf uns nicht von uns selbst ablenken. Wissenschaft ist keine Antwort auf unsere Probleme, und Wissenschaft allein kann niemanden glücklich machen. Sie kann uns nur immer helfen, den Weg zu erleuchten. Das Glück hingegen müssen wir selbst finden, in der kurzen Zeit, die uns gegeben ist, durch dieses Universum zu gehen. Wenn ihr groß geworden seid, solltet ihr euch auf das konzentrieren, was für euch persönlich wichtig ist. In Mozarks Fall war dies seine Liebe zu Endoliyn, und er benötigte eine Reise um die gesamte Galaxis, um das zu erkennen. Erst als er in der Wissenschaft seiner Zeitgenossen nach einer Lösung für sein Problem suchte, erkannte er, wie leer eine solche Reise ist. Das Universum ist um euch herum, und ihr befindet euch in der Mitte. Das ist die einzige Art und Weise, wie ihr es jemals wahrnehmen werdet. Ihr seid das Allerwichtigste darin, jeder Einzelne von euch.«
Beschwichtigt, wenn auch nur so eben, sprangen sie auf und rannten hinaus in den Garten zu ihren Spielen.
»Sehr schön, meine Liebe.«
Denise wandte sich um und sah Mrs. Potchansky im Durchgang zur kleinen Küche der Vorschule stehen. »Danke sehr.«
»Ich wollte doch hören, wie alles zu Ende geht«, sagte die alte Lady.
»Also hat es Ihnen gefallen?«
»O ja. Ich glaube zwar immer noch nicht, dass man sie mit den Klassikern vergleichen kann, dazu müsste man noch Einiges polieren und herausarbeiten. Trotzdem bin ich froh, dass Sie ihnen die Geschichte erzählt haben.«
Denise sah hinaus zu den Kindern, die das übliche Chaos im Garten veranstalteten. »Vielleicht hätte ich ihnen einen Ausgang mit ein wenig mehr Tara erzählen sollen.«
»Wenn das das wirkliche Ende ist, dann muss sie so erzählt werden. Verkaufen Sie sich nie unter Wert, meine Liebe.«
Denise lächelte und stand auf. »Das habe ich noch nie.«
»Ich weiß.«
In der Stimme der alten Dame lag ein scharfer Unterton, der Denise unsicher innehalten ließ.
»Ich bin stolz auf Sie, Denise«, sagte Mrs. Potchansky. »Sie haben wunderbare Arbeit geleistet in diesen letzten Wochen. Die Umstände waren nicht gerade einfach. Es gibt mir Hoffnung für die Zukunft, wissen Sie?«
»Wir werden gewinnen, keine Sorge.«
»Selbstverständlich werden Sie das. Thallspring wird gewinnen.« Mrs. Potchansky kehrte in die Küche zurück.
Denise lauschte dem Klappern von Bechern und Tellern, die in die Spülmaschine geladen wurden, während sie sich fragte, wovon sie gerade geredet hatten.
Michelle Rake hatte gute Arbeit geleistet in dem Labor, das Josep und Raymond zugeteilt war. Es lag im Block für botanische Wissenschaften, einem der älteren Gebäude der Universität am Rand des parkähnlichen Campus’. Eine Avenue von Ehretiabäumen verband es mit der zentralen Gruppe von Fakultätsgebäuden, und ihre langen dunkelgrünen Blätter warfen dichten Schatten auf den Weg darunter. Die übrigen Studenten behaupteten, dass die weißen Blüten an den Rispen einen wundervollen Duft verströmten, doch bis dahin würde es noch einige Monate dauern. Die großen Bäume und die stille Luft verliehen diesem Bereich des Campus’ eine zurückgezogene Aura, als seien die wichtigen Arbeiten und Forschungsgebiete weitergezogen und hätten lediglich ein paar alternde Akademiker zurückgelassen, um ihre Pflanzen inmitten der langsam verfallenden Gebäude zu versorgen.
Es war der perfekte Ort für Josep und Raymond und ihre I-Simulationen. Abgeschieden und doch mitten im Herzen von Durrell. Das Gebäude der botanischen Wissenschaften verfügte über ein Netzwerk, das mehrere Generationen veraltet war, und doch war es für ihre Bedürfnisse perfekt. Selbst jetzt, nachdem das Leben in der Hauptstadt mehr oder weniger in normale Bahnen zurückgekehrt war, hatten noch über dreißig Prozent der Studenten ihr Studium noch nicht wieder aufgenommen. Damit gab es nur wenige Leute, die Fragen bezüglich ihrer Anwesenheit im
Weitere Kostenlose Bücher