Drachentochter
wäre mir eine Ehre, Hoheit«, sagte ich und verneigte mich.
Wir lächelten uns an. Es war ein grimmiges Lächeln, erfüllt von der Einsicht, dass unsere Bemühungen zu schwach sein und zu spät kommen könnten. Unser schweigendes Einverständnis dauerte kaum einen Herzschlag lang, doch für diesen schönen Moment fühlte ich mich weniger allein.
Zwei Tage später kamen die Drachenaugen unter Führung von Lord Ido, um meinem Meister die letzte Ehre zu erweisen. Ryko stand reglos hinter mir, als sie das Empfangszimmer betraten. Seine unerschütterliche Gegenwart hielt mich wie ein zweites Rückgrat aufrecht.
Alle Drachenaugen trugen weiße Gewänder und hatten dicke Päckchen mit Trauergeld dabei, wie es Brauch war, doch ich spürte, dass ihr Besuch noch einen weiteren Zweck hatte. Als sie sich nacheinander vor mir verbeugten, musterte ich das Gesicht eines jeden. Die Verbündeten meines Meisters waren durchweg nervös und seine Feinde konnten vor Ungeduld kaum stillhalten. Ich sah Lord Tyron in die Augen, als er sich aus seiner Verbeugung erhob, und sie enthielten eine Warnung, aber wovor? Ich folgte seinem Blick zu einem Fremden im Hintergrund der Besuchergruppe. Der Mann verbeugte sich an seinem Platz und entbot mir sein gemurmeltes Beileid. Irgendetwas an der Art, wie er immer dreimal hintereinander blinzelte, kam mir bekannt vor, doch ich konnte ihn nicht einordnen.
Lord Ido trat aus dem lockeren Halbkreis weiß gewandeter Männer vor. Er lächelte mich an und der kalte Schwung seiner Lippen passte zu seinem berechnenden Blick. Wir wussten beide, dass er meinen Meister umgebracht hatte.
»Mein lieber Lord Eon – wir alle sind schockiert über den Tod von Lord Brannon«, sagte er leise. Sein geheucheltes Mitgefühl zog mir den Magen zusammen. »Wir alle trauern mit Euch um den Verlust Eures Mentors und bieten Euch, unserem jüngsten Mitbruder, in dieser Zeit der Trauer Unterstützung an.«
Zum ersten Mal seit dem Tod meines Meisters empfand ich ein starkes Gefühl: Hass. Er loderte wie ein Feuerball in mir auf und verdrängte meine Betäubung und Verzweiflung. Ich sah rasch zu Boden, damit Ido in meinen Augen nicht seinen Tod erkennen konnte.
»Zu diesem Zweck«, fuhr Lord Ido fort, »hat der Drachenrat Heuris Kane gebeten, Euer Stellvertreter zu werden. Er wird die Arbeit von Lord Brannon fortsetzen und Euch die Ratsverpflichtungen abnehmen, damit Ihr die Drachenkünste erlernen könnt, wie es Lord Brannons Wille war.«
Heuris Kane – jetzt erkannte ich den Fremden wieder. Er war Barets Meister und gehörte zu Idos Günstlingen. Wie der Prinz vorausgesagt hatte, unternahm Lord Ido den nächsten Schritt, um sich des Rates zu bemächtigen. Das also war der Grund, warum mein Meister hatte sterben müssen. Und deshalb fühlte sich meine Welt so hohl an. Ich schloss die Augen und vernahm die letzten Worte meines Meisters.
Halt ihn auf!
Doch ich war nicht einmal ein richtiges Drachenauge. Wie sollte ich gegen diesen Mann angehen? Er war zu mächtig. Und zu rücksichtslos.
Halt ihn auf!
Die Perlen schlangen sich fester um meinen Arm, als wollten sie mir helfen, all meinen Mut zusammenzunehmen. Niemand sonst konnte Ido aufhalten. Ich musste es versuchen. Um des Kaisers und des Prinzen willen. Und für meinen Meister. Ich ballte die Hände zu Fäusten.
»Nein.«
Kaum hatte ich das Wort ausgesprochen, rückte Ryko schützend an mich heran.
Ido erstarrte. »Was?«
Tyron riss den Kopf hoch. Ich blickte ihm in die erschrockenen Augen und flehte ihn wortlos um Hilfe an. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und nickte.
»Ich danke Heuris Kane natürlich dafür, dass er um mein Wohlergehen besorgt ist«, sagte ich, wandte mich ihm zu und verneigte mich, »doch ich möchte meinen Sitz im Drachenrat einnehmen.«
Kane blinzelte mich hektisch an und blickte dann Rat suchend zu Ido.
»Hier geht es nicht darum, wofür Ihr Euch entscheidet, Lord Eon«, knurrte Ido. »Hier geht es darum, was für den Drachenrat am besten ist.«
»Da täuscht Ihr Euch, Lord Ido«, sagte Tyron und trat ebenfalls aus dem Halbkreis vor. »Wenn Lord Eon seinen Sitz im Drachenrat keinem anderen überlassen will, hat er das Recht zu beweisen, dass er seinem Amt gewachsen ist.«
Beweisen? Was hatte das zu bedeuten?
»Das stimmt«, erklärte Silvo. »Ein Drachenauge kann aus dem Drachenrat nur ausgeschlossen werden, wenn alle anderen Mitglieder sich darüber einig sind, dass es nicht befähigt ist, seine Aufgaben zu bewältigen.
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