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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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kaiserlichen Boten im Empfangszimmer«, sagte sie, eilte an mein Bett und zog mir die Seidendecke weg.
    Ich sah von dem Buch auf. Ich konnte mich nicht einmal dazu aufraffen, es zu verbergen.
    »Noch ein Geschenk?«, fragte ich.
    Seit dem Festumzug war der Himmlische Meister zu krank gewesen, um sich aus seinen Gemächern zu wagen. Dennoch hatte er mir an jedem Trauertag ein Geschenk gesandt – ein Zeichen großer kaiserlicher Gunst. Am Vortag, dem Tag der Kräuter und Stoffe, waren ein kostbarer Salbentiegel und feinstes Leinen für das Herrichten und Einwickeln der Leiche meines Meisters abgegeben worden.
    »Ich glaube nicht«, meinte Rilla und fragte missbilligend: »Hast du etwa in deinem Gewand geschlafen?«
    Ich schloss den Text, streckte den rechten Arm aus und sah zu, wie die schwarzen Perlen das Buch an mich banden. Rilla schnappte nach Luft und trat einen Schritt zurück, als sie das Gleiten und Klicken sah – ich hatte vergessen, dass sie in das Eigenleben der Perlen nicht eingeweiht war.
    »Keine Angst«, sagte ich. »Sie tun dir nichts.«
    Ich hatte gedacht, die Perlen könnten mir etwas über den Spiegeldrachen verraten oder mir den Schlüssel zu dem seltsamen Text liefern, doch trotz ihres eigenartigen Zaubers waren sie nur eine Art Schnur. Ich kletterte aus dem Bett und rührte mich nicht, während Rilla mein Gewand rasch glättete und zurechtzupfte, den rechten Ärmel aber mied, unter dessen dickem weißem Stoff das Buch steckte.
    »Nach dem Besuch von Lady Dela sollst du das … sein Grab bereiten.« Ihre Stimme stockte, doch meine Trauer lähmte mich so sehr, dass ich ihr keinen Trost zu spenden vermochte.
    Als ich das abgedunkelte Empfangszimmer betrat, verneigte sich Lady Dela tief. Als Zeichen der Anteilnahme schminkte sie sich nicht während der Trauerzeit und auch die strenge weiße Robe betonte ihre dunkle Hautfarbe und ihre knochige Gestalt. Hinter ihr stand Ryko und verbeugte sich nur knapp. Trotz meiner Teilnahmslosigkeit spürte ich, dass die beiden seltsam aufgeregt waren. Ein kaiserlicher Bote schob sich auf Knien vor und hielt mir eine Schriftrolle entgegen.
    »Auf Befehl Seiner Kaiserlichen Hoheit.« Er beugte die Stirn dreimal bis zur Strohmatte hinunter, wie es bei der Übergabe eines kaiserlichen Schreibens Vorschrift war.
    Ich brach das Siegel auf und entrollte das Schreiben. Aus Sorge um mein Wohlergehen nach dem Tod von Lord Brannon hatte der Himmlische Meister Lady Dela zu meiner offiziellen Aufsichtsperson bestellt und Ryko aufgetragen, mit einem kleinen Regiment von Wächtern für meine Sicherheit zu sorgen.
    Ich blickte auf und zwang mir ein Lächeln ab. So froh ich war, die beiden bei mir zu haben: Ich spürte es doch nur, wie man durch eine Rüstung hindurch einen schwachen Schlag spürt – gedämpft durch dicke Schutzschichten. Noch während sie über die zu treffenden Maßnahmen sprachen, versank ich wieder in tröstliche Dumpfheit.
    Am nächsten Morgen tauchte Prinz Kygo unangemeldet mit nur zwei Wächtern auf. Er trug ein schlichtes weißes Trau ergewand. Die Wunde an seiner linken Wange schloss sich allmählich, doch der Bluterguss war noch deutlich zu sehen.
    »Lord Eon«, sagte er und bedeutete mir mit einer Handbewegung aufzustehen. »Ich bin nicht als Euer Herrscher, sondern als Freund gekommen.«
    Ich erhob mich langsam und wartete darauf, dass er weitersprach. Er drehte sich zu seinen Wächtern um und schickte sie mit einer Kopfbewegung außer Hörweite.
    »Es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr mir erlauben würdet, Zweiter Trauernder für Lord Brannon zu sein«, sagte er dann.
    Diese unverhoffte Bitte durchdrang endlich meine Teilnahmslosigkeit. Der Zweite Trauernde brachte den Göttern die Opfer dar und kümmerte sich um die Verbrennung der Leiche. Es war eine dienende Rolle und lag unter der Würde eines Prinzen.
    »Hoheit …«, begann ich, verstummte aber, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
    Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Mein Vater wird von Tag zu Tag schwächer«, sagte er leise. »Es ist Zeit, dass ich den Harem endlich verlasse. Erinnert Ihr Euch unserer Abmachung, Freund?«
    Gegenseitige Überlebenshilfe.
    Ich straffte mich. »Mein Meister sagte, es werde nicht mehr lange dauern. Sie werden demnächst den entscheidenden Zug machen.«
    Er nickte. »Ihr seid der Einzige, den Ido noch aus dem Weg räumen muss, um sich den Drachenrat zu unterwerfen.« Sein Griff wurde fester. »Erlaubt mir, Euch als Zweiter Trauernder beizustehen.«
    »Es

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