Drachentochter
zusammen, tastete nach meinem geistigen Auge und suchte die Pfade meines Hua. Mein Kopfweh nahm zu, während ich in die Energiewelt glitt und die Reispflanzen vor mir sich zu sträuben und zu winden schienen. Doch alles war verzerrt und glitt in verschwommenen Farben an mir vorbei. Grün, Orange, Blau, Violett, Rosa und Grau. Ein Summen, das eher Vibration als Geräusch war, ging mir schmerzend durch die Knochen. Ich hielt mir die Ohren zu, stieß weiter in die tosende Energie vor und versuchte, in den flutenden Farben ein Rot aufblitzen zu sehen. Doch es war alles zu schnell. Zu heftig. Die strömende Kraft umkreiste mich so schnell, dass ich nichts erkennen konnte, bis alle Farben zu einem bösen, wirbelnden Blau wurden.
Plötzlich hörte das Wirbeln auf. Dann durchbrauste mich das Blau, blendete und betäubte mich.
Für einen Moment schwebte ich in lautloser saphirblauer Panik. Ich fiel auf die Knie und meine Knochen schrammten über die gepflasterte Straße. Es gab nur Blau, in meinen Augen, meinen Ohren, meinem Mund. Ich schürfte mir die Hände auf, als ich blind übers Pflaster tastete, um nicht den Verstand zu verlieren. Das Blau drohte mich zu zerreißen. Ich roch Vanille und Orange – den Rattendrachen.
Mühsam hockte ich mich auf und kämpfte mich in die Drachensicht zurück. Mein silbernes Hua verdunkelte sich und meine sieben Energiepunkte ergaben sich dem erstickenden Indigo. Mir blieb nur übrig, mich noch tiefer vorzuwagen. Ich stieß durch zähe graue Kraft vor, die das Blau in helles Leuchten verwandelte. Ob es sich dabei um das Sonnenpulver handelte? Ich drang noch weiter vor, wobei ich anfangs um mich schlug, ehe mich ein schwacher goldener Schimmer anzog, der von meinem dritten Energiepunkt kam. Ein winziger Kern in meinem Unterleib, der gegen den dunklen Strudel anglomm. Verzweifelt griff ich danach und schleuderte den blassen Fleck ins Blau hinein. Er stieß durch die wirbelnde Kraft, und ich hörte einen Schrei von meinen Lippen kommen, der dem eines verletzten Adlers glich. Die strudelnde Masse zog sich zusammen, zersprang und war verschwunden.
»Mylord, was ist passiert?«
Das war Rykos Stimme.
»Mylord, redet mit mir.«
Ich fiel keuchend auf die Seite.
»Hol Rilla«, befahl er jemandem. »Und Lady Dela.«
Das Dunkel hellte sich zu Rykos Gesicht auf. Es schwebte über mir und ich streckte die Hand aus und packte ihn am Gewand. »Ich brauche das Pulver nur bis morgen«, krächzte ich. »Dann höre ich auf.«
Das Sonnenpulver wirkte. Dessen war ich mir sicher. Ich bewegte den Kopf, der auf Rillas weichem Schoß lag, und sah in den vorbeiziehenden Himmel, während die Kutsche die Straße entlangfuhr. Lady Dela saß uns gegenüber und war in der drückenden Hitze eingedöst. Die entspannte Stille der beiden war ungemein erleichternd; Lord Tyron hatte schließlich eingesehen, dass ich nicht in der Verfassung war, mit dem Unterricht fortzufahren, und sich in seine Kutsche zurückgezogen, die hinter uns herfuhr. So hatte mein Zusammenbruch am Straßenrand wenigstens ein Gutes gehabt.
Ich schloss die Augen und ging meine Schlussfolgerungen über die blaue Macht noch einmal sorgfältig durch. Zweifellos hatte es sich dabei um den Rattendrachen gehandelt – ich hatte seinen Vanillegeruch noch in der Nase. Irgendwie hatte die zähe graue Kraft des Sonnenpulvers mich seiner Energie zugänglich gemacht, bis er wie Wasser durch eine Schleuse in mich hineingeströmt war. Und das hatte das Näherkommen des Spiegeldrachen verhindert. Es bestand die erschreckende Möglichkeit, dass Lord Ido seinen Drachen dazu nutzte, mich anzugreifen, doch selbst in meiner größten Panik hatte ich bei dem Ansturm des Rattendrachen keine treibende Kraft gespürt. Es war gewaltsam gewesen, aber nicht wirklich gefährlich.
Wie hatte ich ihn aber abgewehrt? Worum handelte es sich bei dem bleichen Energiekern tief in mir? Ich vermutete, dass er etwas mit meinem Schatten-Ich zu tun hatte; ein Rest von Mondenergie, den ich noch nicht ausgetrieben hatte. Was immer es war – es war stark genug, um einen Drachen zurückzuschlagen. Ob es auch den Spiegeldrachen fernhielt?
Dieser furchtbare Gedanke ließ mich die Lider öffnen.
»Braucht Ihr Wasser, Mylord?« Rillas besorgtes Gesicht war über mich gebeugt.
»Nein. Wie weit ist es noch bis zum Dorf?«
Lady Dela gähnte und verdeckte den Mund mit dem offenen Fächer. »Lord Tyron sagte, wir würden vor der Dämmerung ankommen. Also dürfte es keine zwei Stunden
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