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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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mehr bis zu unserer Ankunft dauern.«
    Ich nickte, schloss die Augen weder und kehrte zum Problem des Rattendrachen zurück. Die stechenden Schürfwunden an meinen Händen erinnerten mich nur zu deutlich an seine überwältigende Kraft.
    Das Sonnenpulver hatte mich ihm geöffnet – also würde es mich auch dem Spiegeldrachen öffnen. Beide hatten sich in diesem Jahr in der Arena gezeigt und beide waren irgendwie mit mir verbunden. Das Sonnenpulver war das Tor zu ihnen und ließ obendrein die Macht der Drachen wachsen. Und wenn ich nur genug von dem Pulver nahm, würde es sicher die Mondenergie unterdrücken, die noch in mir war.
    Ich musste bloß einen Weg finden, den Rattendrachen abzuwehren, um mich mit dem Spiegeldrachen vereinigen zu können.
    Die Lösung war so offenkundig, dass ich mich kerzengerade aufsetzte. Ich musste den Rattendrachen bei der Prüfung gar nicht zurückhalten! Lord Ido würde sein Tier beherrschen – der blaue Drache wäre also gar nicht in der Lage, mich mit Energie zu überfluten und dem Spiegeldrachen den Weg zu mir zu versperren. Ich musste nur dafür sorgen, dass meine Sonnenenergie so stark wie möglich war. Auf diese Weise würde ich mich meinem Drachen öffnen, seine Kraft vergrößern und endlich meine Mondenergie loswerden.
    Rilla berührte mich am Arm. »Mylord?«
    »Ich will nun doch ein wenig Wasser trinken«, sagte ich und griff nach dem Beutel mit dem Sonnenpulver.
     
    Wir erreichten das Dorf, als die grauen Schatten der Dämmerung in die dunklen Schatten der Nacht übergingen. Entlang der Straße brannten lange Fackeln, zwischen denen die knienden Dorfbewohner festliche Gebete sangen und sich verneigten, während wir zum Marktplatz zogen. An Häusern und Geschäften hingen rote Fahnen, und an jeder Tür prangte ein Schriftzeichen aus Papier, das Gute Ernte bedeutete. Der Geruch von gegrilltem Schweinefleisch und der Hefeduft von frischem Brot zogen durch die Nachtluft und dazwischen wehte immer wieder das beklemmend süßliche Aroma der Räucherkerzen heran. So roch nur das Monsunfest.
    Mein Kutscher ließ die Pferde am Rand eines großen Platzes halten, an dem zweistöckige Häuser mit Geschäften im Erdgeschoss standen. In jedem Fenster hing ein roter Lampion, und im Licht all der Papierlaternen erkannte ich den großen steinernen Kompass inmitten des Platzes – ein kreisrundes Podium, auf dem die Drachenaugen ihre Himmelsrichtung einnehmen und ihre Magie wirken würde.
    Lord Ido und die anderen Drachenaugen saßen an einer langen Tafel am anderen Ende des Platzes. Neben Ido war ein Stuhl frei – zweifellos für das Zweite Herrschende Drachenauge. Ich unterdrückte ein Schaudern und stieg aus der Kutsche. Lady Dela lächelte mir von ihrem Platz aus ermutigend zu, als der Kutscher die Pferde wieder antrieb. Weder sie noch Rilla durften mich begleiten – bevor die Drachenaugen den Königsmonsun nicht gebändigt hatten, waren Frauen auf dem Platz nicht zugelassen.
    Drei alte Männer in hellbraunen, schlicht bestickten Baumwollroben – ihren Festgewändern – kamen auf mich zu, knieten nieder und verneigten sich.
    »Spiegeldrachenauge«, sagte der mittlere Mann und hob das Kinn ein wenig, wagte aber nicht, mir in die Augen zu sehen, »ich bin Hiron, der Dorfälteste. Es ist mir eine unermessliche Ehre, Euch und Euren Drachen in unserer bescheidenen Siedlung willkommen zu heißen. Welche Freude, dass der zwölfte Drache zu uns zurückkehrt. Welche Freude, dass er ein Drachenauge von solcher Jugend und Macht erwählt hat. Wir sind Euch – Eurer heiligen Parteinahme für unsere Interessen wegen – zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet.«
    Ich räusperte mich. »Danke. Wann wird der Königsmonsun erwartet?«
    »Unsere Wetterbeobachter sagen ihn für morgen Nachmittag voraus, Mylord«, antwortete der rechte Mann.
    Gut – so hatte ich Zeit, das Sonnenpulver noch mindestens zweimal einzunehmen.
    »Mylord, bitte begleitet uns zur Tafel, damit wir Euch auch offiziell willkommen heißen können.«
    Ryko wich nicht von meiner Seite, als ich an Reihen von knienden Dorfbewohnern vorbeigeführt wurde, die die Ankunft der hohen Herren ehrten, die sie jedes Jahr vor dem Verhungern bewahrten. Einige schattenhafte Umrisse zogen sich von den Fenstern zurück, als ich näher kam: Frauen und Kinder, die einen Blick auf das Spiegeldrachenauge hatten erhaschen wollen. Ein Mann in der Menge der Knienden sah mir zufällig in die Augen und die Ehrfurcht in seiner Miene verwandelte sich in

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