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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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und hob grüßend die Hand.
    »Lady Dela – ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Nacht.«
    »Die hatte ich, danke.« Sie erhob sich, und ich sah, dass sie sich einmal mehr sorgfältig zur Frau geschminkt hatte. »Könnte ich Euch sprechen, ehe wir unsere Reise fortsetzen, Mylord? Es gibt einige Protokollfragen zu erörtern.«
    »Natürlich.«
    »Nach dem Frühstück der Dankbarkeit?«
    Ich nickte und zog mich ins Zimmer zurück. Traditionsgemäß bedankte sich ein Lord bei seinem Gastgeber, indem er mit ihm und dessen Söhnen eine förmliche Morgenmahlzeit einnahm.
    Verglichen mit dem, was man mir in den letzten Wochen aufgetischt hatte, war das Essen einfach und spärlich: Reisbrei mit vier Gewürzen; rohe, in eine duftende Suppe geschlagene Eier; gebackener Sojakäse; fein gemahlenes Weizenbrot. Als ich mir Sirup auf den bleichen Reisbrei gab, fiel mir auf, dass dieses Mahl früher ein Festessen für mich gewesen wäre.
    Der Eigentümer erinnerte mich an einen braunen Hund, der stets um die Saline herumgeschlichen war – schwanzwedelnd und immer darum bemüht, uns zu gefallen. Der Mann war so hingerissen davon, ein Drachenauge zu Gast zu haben, dass er sich auf jede meiner Bemerkungen hin drei- oder viermal verbeugte und während des ganzen Essens nur einen zusammenhängenden Satz herausbrachte: »Euer heiliger Pakt, uns und unser Land zu beschützen, bedeutet für uns alle eine große Beruhigung, Mylord.«
    Seine Söhne – drei kleinere Ausgaben seiner selbst – nickten stürmisch und wandten den Blick nie von mir ab, während sie wortlos ihre Suppe löffelten. Ich sah in meine Schale und mein Hunger war plötzlich verschwunden. Hier ging es nicht nur um mein Überleben: Das ganze Land verließ sich darauf, dass ich die Kräfte der Erde beeinflusste und den Bewohnern zu einer guten Ernte verhalf. Ich tastete nach dem Beutel in meiner Tasche. Konnte ich es wagen, mir eine weitere Prise Sonnenpulver zu genehmigen? Drei Portionen binnen einer Stunde waren wahrscheinlich zu viel – es wäre sicher klüger, damit bis zum Abendessen zu warten und das Mittel in größeren Abständen zu nehmen.
    Lady Dela kam gleich nach dem qualvollen Frühstück zu mir und sah sich wachsam nach allen Seiten um.
    »Können wir jetzt unter vier Augen reden, Mylord?«
    Ich seufzte. Eine Unterrichtsstunde in Protokollfragen war das Letzte, was ich brauchte; mein Kopf lief jetzt schon über vor Wissen. »Hat das nicht Zeit?«, fragte ich. »Wir können das Pro tokoll doch noch durchgehen, wenn wir näher am Ziel sind.«
    Sie b eugte sich vor, bis ich den Jasminduft ihrer Haare roch. »Es geht nicht um das Protokoll, sondern um die Prüfung.«
    »Also in den Garten«, erwiderte ich knapp. Meine Glieder fühlten sich an, als steckten aufgezogene Uhrfedern in ihnen. Vielleicht würde ein Spaziergang meine verspannten Muskeln lösen.
    Erst als wir am anderen Ende des Gartenwegs angekommen waren, begann Lady Dela zu sprechen.
    »Mir sind einige Gerüchte zu Ohren gekommen, Mylord.« Sie sah sich um und führte mich ein Stück von einer Küchenmagd weg, die Bettzeug ausschüttelte. »Lord Ido hat vor, Eure Prüfung zu sabotieren.«
    »Wie es gegenwärtig aussieht, kann er sich diese Mühe sparen«, erwiderte ich grimmig. »Habt Ihr gehört, was er vorhat?« Ich ballte die Fäuste. All meine Gelenke schienen steif und taten weh, während der sonst so stechende Schmerz in der Hüfte nur dumpf pochte.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann nützt mir das alles herzlich wenig. Kommt mir nicht mit vagem Dienergeschwätz. Liefert mir Einzelheiten.«
    Ich schritt davon und ließ sie überrascht zurück. Was nützten mir Gerüchte? Ich brauchte handfeste Informationen. Echte Strategien. Ich schlug nach einem Palmwedel, der sich wie ein Torbogen elegant über den Weg schwang. Der Ast brach mit einem befriedigenden Knacken.
    Als ich wieder mit Lord Tyron und Hollin in der Kutsche saß, konnte ich keine bequeme Sitzposition finden – meine Gesäßknochen fühlten sich an, als würden sie mir demnächst durch die Haut dringen, und ein Ausschlag brannte mir im Nacken. Hollins Augen sahen müde aus, und er gähnte, weil er schlecht geschlafen hatte, und Lord Tyron stank nach Altmännerschweiß. Ich unterdrückte meinen Ekel und konzentrierte mich auf ihre Worte.
    »Als Herrschendes Drachenauge gehört es zu Euren Pflichten, all Euren Brüdern klare Anweisungen zu geben, damit sie die Kraft ihrer Drachen in die gewünschte Richtung lenken und die Monsunfluten

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