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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Ihr und Ido Euch diese Macht teilt. Wir wissen es einfach nicht.«
    Ich starrte ihn an. »Ihr wisst nicht, wie Ihr mir helfen sollt, diese Prüfung zu bestehen, nicht wahr?«
    Er packte mich an der Schulter und schüttelte mich. »Im Moment müssen wir Euch lehren, Eure Macht zu lenken. Das Wichtigste zuerst!« Er beugte sich aus der Kutsche und rief: »Hollin! Komm her!«
    Der schlaksige Lehrling trat neben die Kutsche. »Ja, Mylord.« Er sah mich und verneigte sich. »Seid gegrüßt, Lord Eon.«
    »Hollin, ich habe beschlossen, dass du uns in der Kutsche begleitest«, verfügte Tyron. »Entschuldige dich bei Lady Dela damit, dass Lord Eon deine Hilfe braucht. Und dann sag Ridley, er soll dich in der Frauenkutsche vertreten.«
    Der junge Mann strahlte, denn so blieb ihm die ermüdende Reise mit dem Ochsenkarren erspart. Dann eilte er davon.
    »Hollin kann sich an seine erste Lehrzeit besser erinnern als ich«, sagte Tyron. »Er kann Euch die Grundlagen rasch beibringen. Danach werden wir uns der Frage zuwenden, wie Ihr dem Königsmonsun Einhalt gebieten könnt.«
    Es wurde ein langer Tag, an dem mir unermüdlich Wissen eingetrichtert wurde, während sich längs der Straße Bauern in glühender Hitze vor uns verneigten. In der Kutsche stank es nach unserem Schweiß und unsere Fächer vermochten gegen die hohen Temperaturen nichts auszurichten. Ich musste mich sehr anstrengen, um Hollin zu folgen, der mir mit ernster Stimme den Handel zwischen Drachen und Drachenauge zu erklären versuchte.
    »Erinnert Ihr Euch an den Moment der Vereinigung, Lord Eon?«, fragte er und lächelte verlegen. »Natürlich. Kein Drachenauge vergisst je diesen Moment. Besinnt Euch darauf, wie es war, zugleich Mensch und Drache zu sein.«
    Ich nickte und versuchte, meine Panik zu verbergen, denn ich hatte dieses Gefühl nicht empfunden. Ich hatte nur die Kraft des Spiegeldrachen heranfluten gespürt – und später die des Rattendrachen. Aber das durfte ich den beiden Männern mir gegenüber nicht sagen, denn dann hätte ich zugegeben, dass es zu keiner richtigen Verbindung zwischen mir und meinem Drachen gekommen war. Ich drückte den Sonnenpulverbeutel in meiner Tasche. Wenn ich mehr als nur eine Prise täglich davon nähme, wäre die Chance, dass es wirkte, vielleicht größer.
    »Das Gleichgewicht ist der Schlüssel zu allem«, fuhr Hollin fort. »Man braucht lange, um herauszufinden, wann man dem Drachen zu viel Hua gibt und dafür zu wenig Kraft nimmt.« Er wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und sah seinen Meister an. »Wie erklären wir das Gleichgewicht?«
    So ging es, bis wir anhielten, um über Nacht zu rasten: Ich machte einen Schritt Richtung Erleuchtung und dann zwei Schritte zurück, weil mein Mangel an Erfahrung den Weg versperrte.
    Der Sitte gemäß waren die Drachenaugen und ihre Diener in Häusern untergebracht, die die Besitzer ehrerbietig geräumt hatten. Ich war so müde, dass ich mich ab dem Moment, in dem ich meine Schlafkammer betrat, bis zum nächsten Morgen, als Rilla mich mit dem Tee der Geistermacherin weckte, an nichts mehr erinnerte. Als sie das Zimmer verließ, um meine gelüfteten Gewänder zu holen, tat ich zwei große Prisen Sonnenpulver in den Keramikbecher und trank ihn auf einen Zug leer.
    Das kleine Schlafzimmer war stickig. Rilla hatte ein Baumwollgewand für mich herausgelegt, und ich schlang es mir um den Leib, als ich von der hohen Pritsche kletterte und an das mit einem Laden verschlossene Fenster trat. Über Nacht schien sich das, was Hollin mir tags zuvor beigebracht hatte, in ein unsinniges Durcheinander verwandelt zu haben; ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass er erklärt hatte, wie man Energie aus einer Drachenlinie zog, und dass Lord Tyron ihn dann gedrängt hatte, zum nächsten Thema überzugehen. Und vor mir lag ein weiterer Tag gehetzten Unterrichts. Ich fürchtete, dass nur sehr wenig davon hängen bleiben würde.
    Ich öffnete die Fensterläden und sah in den engen Innenhof des Hauses. Der Eigentümer war reich genug, um sich an der nahen Mauer einen kleinen Lustgarten leisten zu können, auf dessen kurzem, gewundenem Weg Lady Dela spazierte. Nun, da die offizielle Trauerzeit vorbei war, trug sie ein blaues Reisegewand und hatte sich einen roten Erinnerungsstreifen an den Ärmel geheftet. Sie drehte sich um, als habe mein Blick sie angezogen, fiel anmutig auf ein Knie nieder und senkte angesichts meines Aufzugs höflich die Augen. Ich schlang mein Gewand fester um mich

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