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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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unterm Kinn steckte. Dann schob sich sein riesiges Maul davor, dessen feine Schuppen und empfindliche Nüstern die mächtigen Fänge betonten, die vom Oberkiefer in eindrucksvoller Krümmung abwärts liefen.
    Der Drache drehte sich um und sah den Kaiser über den Kampfplatz hinweg an. Nur eins seiner großen dunklen Augen tauchte dabei im Spiegel auf und seine hohe Stirn krönten zwei gewundene Hörner. Ich hörte die Menge ängstlich murmeln, als seine beiden Vorderläufe den Boden erreichten und sein geschmeidiger Körper in ganzer Größe im Spiegel erschien. Dann rollte sich sein Leib wie eine Schlange ein und glitt nach unten, wobei das unsichtbare Gewicht eine Sand- und Staubwolke aufsteigen ließ, die uns – als sie sich auf ihn herabsenkte – seine schimmernden Umrisse erahnen ließ. Er schüttelte den Kopf, was weiteren Sand aufwirbelte, wandte sich dann um und beobachtete sich im Spiegel, wobei die unendliche Tiefe seiner Augen ihm einen traurigen Ausdruck verlieh. Je zwei hellblaue Flügelhäute kamen ihm aus den Schultern und schillerten im Sonnenlicht wie nasse Seide, doch dann faltete er sie und legte sie an. Als der Drache seinen mächtigen Kopf wieder zu uns drehte, zeigte der Spiegel sein Rückgrat und seine dicke weiße Mähne. Obwohl seine Augen nicht länger im Spiegel zu sehen waren, wusste ich, dass er uns musterte, um seinen Lehrling zu erwählen.
    Der Sand vor dem Spiegel stob auf, als der Drache einen Schritt vorwärts machte. Quon neben mir atmete rascher. La nell flüsterte hastig ein Gebet. Ich schluckte, doch meine Keh le blieb ausgedörrt. Eine riesige Schlangenspur erschien im Sand, als der Drache näher kam, und das anmutige Wedeln seines Schwanzes im Spiegel hielt mich gefangen. Erregung stieg in mir auf wie kleine Luftblasen, die die Oberfläche des Wassers durchbrechen, kurz bevor es kocht. War das die Macht des Drachen? Mein Blick glitt die Reihe der Anwärter entlang. Einige hatten einen Schritt rückwärts getan; auch Baret schob sich behutsam zurück, doch Dillon hielt die Stellung. Je näher der Drache kam, desto deutlicher waren die mächtigen Abdrücke seiner Klauen im Sand zu erkennen. Im Spiegel bewegte sein Kopf sich vor und zurück, als wäre er ein Hund, der Witterung aufgenommen hatte. Er wandte sich Baret zu.
    Energie durchfuhr mich. Ich kniff die Lider zusammen und suchte nach meinem geistigen Auge. Vielleicht würde er zu mir kommen, wenn ich ihm meine Macht zeigte. Das dumpfe Klopfen in meinem Kopf wurde zu einem unerträglichen Druck. Der Drache trat mir schimmernd vor Augen, und ich spürte, wie er mir Energie entzog. Sein Kopf fuhr herum, und eine dicke blaue Zunge glitt zwischen seinen Lippen hervor, um nach der Macht zu schmecken, die ihn zu sehen vermoch te. Er machte ein paar Schritte in meine Richtung und drehte dann wieder um, als wäre er unsicher. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, sein Bild festzuhalten, doch der Energieverlust war zu hoch. Der Drache entglitt mir und das jähe Ende der Verbindung ließ mich taumeln.
    Die Aufregung der Menge drang durch die lauten Trommeln und Trompeten. Ich sah zum Spiegel auf. War es genug gewesen? Der Drache hob eine Klaue, fuhr mit den Krallen durch die Luft und war mit wenigen Schwanzbewegungen bei mir. Ich konnte ihn nicht sehen, spürte aber seinen heißen Atem auf den Wangen. Er roch nach Vanille und Orange. Erwählte er mich? Ich wollte wieder mit dem geistigen Auge sehen, doch mein Kopfweh und die pulsierende Energie waren zu stark. Sand wirbelte im Bogen auf und peitschte mir ins Gesicht. Quon schützte die Augen und kauerte sich nieder, als das so massige wie unsichtbare Tier zwischen uns hindurchging. Ich spürte den schweren, muskulösen Drachenschwanz flüchtig mein Bein berühren. Aufgewühlt blickte ich von den Abdrücken im Sand zum Spiegelbild des Drachen und sah, dass er sich in meinem Rücken auf die Hinterläufe erhoben hatte und über mich beugte. Die Hitze seines Leibes senkte sich über mich. War ich erwählt? Ich sah Lord Ido auf mich zukommen. Seine Augen waren nicht mehr geweitet und leer, sondern vor Zorn zusammengekniffen. Er musste bemerkt haben, dass ich das Tier gerufen hatte.
    Plötzlich fuhr der Drache herum und schaute wieder den Kaiser an, der über dem dunklen Spiegel saß. Er neigte den Kopf zur Seite und stieß einen Schrei aus, der dem Beuteruf eines Raubvogels glich, aber hundertmal lauter war und mich auf die Knie drückte. Ich ließ die Schwerter fallen und presste

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