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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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erwählt worden? Der Rattendrache war erst zu mir gekommen. Warum hatte er sich von mir abgewandt? Vielleicht stimmte es wirklich, dass kein Drache einen Krüppel wählte.
    Mein Meister hatte sich auf ein riskantes Spiel eingelassen und verloren. Ich blickte zur Tribüne hinauf. Er war nicht schwer zu finden: Als Einziger saß er noch auf den Plätzen der Heuris und wirkte wie erstarrt. Etwas in mir wollte sofort aus der Arena und vor seiner Verzweiflung fliehen, vor seinen Fäusten und seinen allzu langen Berührungen. Ich tastete nach der versteckten Münze. Sie war noch an Ort und Stelle und zog den Saum ein wenig zu Boden. Doch selbst wenn ich zu fliehen versuchte, würde ich nicht weit kommen. Ich war so erschöpft, dass ich mich kaum aufrecht halten konnte. An Rennen war nicht zu denken.
    Langsam folgte ich Van zu den anderen gescheiterten Anwärtern. Alle beobachteten den Trubel, der Dillon umgab. Die Herolde heizten der Menge ein und zwei Reihen Musiker spielten einen jubelnden Triumphmarsch. Ein anderer Beamter zog mich in die unordentliche Reihe. Quon taumelte mit tränenüberströmtem, vor Anspannung bleichem Gesicht gegen mich. Wir schritten voran. Vor mir stolperte jemand und wurde wieder an seinen Platz geschoben. Ich hörte einen knappen Befehl und merkte, dass Van neben mir in den Gleichschritt fiel und mich beim Gehen beobachtete.
    »Lasst mich Eure Schwerter nehmen«, sagte er schließlich.
    Ich hatte vergessen, dass ich sie in Händen hielt, und ihr Gewicht nur als Teil meiner enormen Erschöpfung empfunden. Es fiel mir schwer, ihm die Waffen hinzustrecken, und noch schwieriger war es, die Griffe loszulassen.
    »Wir sind fast da«, sagte Van.
    »Wo?«, fragte ich und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Gingen wir an einen Ort, an dem es Wasser gab?
    »Ihr müsst euch vor dem Kaiser verbeugen.«
    Ich sah ihn an und überlegte, was seine Worte bedeuteten. Verbeugen. Vor dem Kaiser.
    »Und danach gibt es Wasser?«
    Er nickte. »Es dauert nicht mehr lang.«
    Wir blieben stehen. Erneut befanden wir uns unter dem dunklen Spiegel, vor dem wir anfangs gewartet hatten. Der Kaiser beobachtete die Feierlichkeiten in der Mitte des Kampfplatzes und interessierte sich nicht für uns. Ein besorgter Beamter stieß Hannon vorwärts und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, er solle sich verneigen. Hannon fiel auf die Knie und hob die Schwerter zu einem schwankenden Gruß. Einen Moment lang glaubte ich nicht, dass er sich wieder aufrappeln würde, doch schließlich schaffte er es und wurde auf die ande re Seite des Spiegels geleitet. Callan folgte mit einer langsamen, aber ordnungsgemäßen Verbeugung. Quon musste zum Spiegel geführt und auf die Knie gedrückt werden. Ich sah seine leere Miene, als er wieder auf die Beine gezogen wurde – falls man an Enttäuschung sterben konnte, würde er wohl bald bei seinen Vorfahren sein.
    Nun war ich dran. Van reichte mir meine Schwerter.
    »Braucht Ihr meine Hilfe?«, fragte er.
    Ich umklammerte die Griffe und spürte eine schwache Welle der alten Energie – genug, um es bis vor den Spiegel zu schaffen. Ich schüttelte den Kopf und machte mich durch den zerwühlten Sand auf den Weg.
    Die Mitte des dunklen Glases glänzte grünlich wie eine schwarze Perle. Mein Meister hatte so ein Schmuckstück getragen, es aber abstoßen müssen, um von dem Erlös Essen zu erwerben. Nun aber gab es keinen Schmuck mehr zu verkaufen – nur noch verkrüppelte Leibeigene. Ich stand da, blickte für einen Moment in den Spiegel und sammelte Kraft, um auf die Knie zu fallen. Die undurchdringliche Schwärze hatte etwas seltsam Beruhigendes. Ich blinzelte, da mir ein grelles Licht in die Augen gefahren war.
    Plötzlich blitzte oben am Spiegel ein Lichtstrahl auf und glitt wie an einer Zündschnur abwärts. Er teilte das Glas und verwandelte das Dunkel in eine gleißende Helle, die mich von den Beinen holte. Die Schwerter wirbelten aus meinen Händen; ich landete mit dem Rücken im Sand, und der heftige Aufprall raubte mir den Atem. Die Wächter des Kaisers beugten sich über die Oberkante des Spiegels und hielten sich dabei die Hände schützend vor die Augen. Hatte ich etwas Falsches getan? Endlich konnte ich wieder Luft holen und atmete gierig ein. Hinter mir hatten sich die Festgeräusche in vereinzelte, unharmonische Musikfetzen und Schreie aufgelöst.
    Knisternde Energie strich mir wie Messerklingen über die Haut. Große, formlose Rotlichtflecke tanzten über den Spiegel. Die Erde

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