Drachentochter
laut und unvermittelt. »Soll ich mich um des Rates willen aufopfern? Das habe ich nicht vor.«
»Jemand muss Idos Ehrgeiz zügeln.«
»Das war Eure Pflicht und Ihr habt versagt. Die Zeit, wo man ihn noch hätte in seine Schranken zurückweisen können, ist längst vorbei«
Der Beamte verschränkte die Arme. »Was hätten wir tun sollen? Er hat die Unterstützung von Großlord Sethon.«
»Ich glaube, es ist genau umgekehrt«, murmelte mein Meister.
Sie blickten einander schweigend in die Augen.
»Ihr nehmt Euren Jungen also nicht aus dem Wettbe werb?«, fragte der Beamte schließlich. »Er wird sich verbeugen?«
»Das wird er.«
»Dann solltet Ihr dafür sorgen, dass er auf die Beine kommt. Der zehnte Anwärter ist bereits aufgerufen worden. Es dauert nicht mehr lange.« Er erhob sich schwerfällig aus dem aufgeschütteten Sand und verneigte sich vor meinem Meister. »Viel Glück, Heuris Brannon.«
Mein Meister nickte und wandte sich wieder zu mir um.
»Es tut mir leid, Meister«, krächzte ich mühsam.
»Hier, trink Wasser.« Er drückte mir einen Becher an die Lippen. Ich schluckte einen Mund voll, um meine wunde Kehle zu befeuchten.
»Ich weiß, dass es wehtun wird, aber du musst aufstehen«, sagte er. »Du musst die abschließende Verbeugung vor dem Rattendrachen machen.«
»Aber ich habe den Kampf nicht beendet. Er wird mich nicht erwählen.«
Mein Meister schnaubte. »Das war kein Kampf – das war ein Hinterhalt.« Er setzte mir den Becher wieder an die Lip pen und ich nahm einen weiteren Schluck. »Niemand weiß, wie ein Drache seine Wahl trifft. Wir werden diese Sache bis zum Ende durchstehen.«
Er schlang mir den Arm um die Schulter und half mir, mich aufzurichten. Ich spürte, wie er mir die Haare zurück strich und die Hand auf meinem Nacken ruhen ließ. Die Are na kreiste vor meinen Augen und mir wurde übel. Ich atmete tief durch, bis der Boden unter mir zu schwanken aufhörte, doch immer wieder teilte sich meine Sicht in zwei verschwommene Bilder. Es war, als kämpften in der Arena zwei Rannes gegen zwei Barets. Ich blinzelte, um meine Sicht zu klären. Baret focht gut. Das war nicht weiter erstaunlich, denn Ranne griff ihn genau in der Reihenfolge an, die wir alle gelernt hatten. Bald würde Baret der neue Lehrling des Drachenauges sein.
Und ich wäre auf der Flucht.
Ich löste mich aus dem Griff meines Meisters, doch er behielt die Hand auf meinem Arm.
»Langsam, Eon. Du hast noch Zeit bis zur abschließenden Verbeugung.«
Neben dem Beifall für Barets Auftritt gab es Beschimpfungen für Ranne. Ich schloss die Augen und strich mir vorsichtig über die geschwollene Schläfe. Wie aus weiter Ferne hörte ich die Herolde Dillon und Jin-pa zum Kampf rufen. Ich schien nur leicht verletzt zu sein, folgte meinem Hua aber langsam durch die sieben Energiepunkte. Die Wunde war wie ein Knick in meiner Kraftlinie, doch der Fluss war nicht unterbrochen. Also war die Verletzung nicht gefährlich. Ich öffnete die Augen und sogleich verdoppelte sich die Arena. Ich zwinkerte, bis sich die Bilder zu einem zusammenfügten.
Und dann sah ich die Drachen.
Sie kauerten auf ihren Spiegeln und blickten auf Dillon und Jin-pa, die unten in der Arena kämpften. Die Tiere hatten keine festen Umrisse und keine klaren Farben – eher ließ ein Flirren in der Luft ihre Form und ihr Gewicht ahnen. Nur die Augen wirkten real und ihr Tiefschwarz glich Löchern im Gewebe der Welt. Die Menge nahm die Gegenwart der Drachen nicht wahr. Selbst die Drachenaugen blickten durch sie hindurch. Warum konnten sie ihre eigenen Drachen nicht sehen?
Plötzlicher lauter Jubel zeigte an, dass der zehnte Kampf beendet war. Ich ließ den Lärm und die Hitze über mich hinwegbranden, während Dillon sich vor dem Spiegel verneigte. Der Rattendrache senkte den schimmernden Kopf, um ihn zu mustern. Dillon schien zu erstarren, als er sich aus seiner tiefen Verbeugung aufrichtete – spürte er die riesigen Augen, die bloß eine Armlänge von ihm entfernt waren? Ich beobachtete, wie er an seinen Platz in der Reihe zurückkehrte, doch er schien einfach nur erschöpft zu sein. Der nächste Anwärter wurde aufgerufen. Ich schloss die Lider, um dem gleißenden Licht nicht länger ausgesetzt zu sein. Der Lärm der Menge wurde zu einem fernen Murmeln und ein samtenes Behagen legte sich über meine Schmerzen.
Eine Hand schüttelte mich und holte mich in die quälende Helle zurück und sofort brachen die Geräusche in der Arena wieder in voller
Weitere Kostenlose Bücher