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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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rasch um. Ich wusste, dass außer mir niemand im Bad war, doch ich hatte den Namen seit vier Jahren nicht ausgesprochen. Mein Meister hatte es mir verboten, und ich hatte mir angewöhnt, ihn weder zu sagen noch auch nur zu denken. Der Name gehörte einer anderen Person in einem anderen Leben.
    Ich beugte mich weiter vor.
    »Eona«, flüsterte ich.
    Ich spähte in den Dunst und hielt die Luft an. Noch immer war der Drache verhüllt und ich atmete verzweifelt aus.
    Als ich mich schon zurückzog, sah ich, dass der Dunst sich ein wenig lichtete. Der dicke Nebel trennte sich in dünne Schichten, die erst verblassten, dann verschwanden. Die Farben des Drachen waren allmählich immer deutlicher zu erkennen: das Schimmern der goldenen Perle und das Lodern der orangefarbenen und scharlachroten Schuppen.
    Es hatte funktioniert.
    »Eona«, flüsterte ich erneut. Ich streckte die Hand nach der Perle aus und zitterte vor Aufregung. »Bitte, wie heißt du?«
    Doch erneut glitt meine Hand durch die goldene Kugel hindurch. Wieder und wieder langte ich nur durch Luft. Zwar war der Drache strahlend hell zu sehen, doch er war noch immer nicht wirklich da. Und seine Augen sahen mich nicht.
    Mein wahrer Name genügte nicht.
    Ich holte verzweifelt Luft, klatschte die Hände ins Wasser und ließ einen kräftigen Schwall über den Beckenrand spritzen. Warum war mein Name nicht genug?
    »Was muss ich tun?«, rief ich.
    Links von mir erhoben sich plötzlich blassblaue Schuppen und beigegraue Klauen. Der Rattendrache bäumte sich vor mir auf und seine Macht durchdrang mich wie ein Feuerball. Das Wasser im Becken spritzte in alle Richtungen und riss mich von den Beinen. Ich ging unter, kämpfte darum, wieder an die Luft zu kommen, und spürte, wie eine Kraft mich nach oben drückte. Keuchend kam ich an die Oberfläche, schlug mit Händen und Füßen um mich, wurde aus dem Wasser geworfen, knallte wuchtig mit Schulter, Oberschenkel und Knie an die Wand, prallte von den kalten Fliesen ab, landete rücklings auf dem Boden und lag einen Moment lang betäubt da, ehe die Seite, mit der ich gegen die Wand gekracht war, furchtbar zu schmerzen begann.
    »Ihr Götter«, rief Rilla und kam angerannt. »Was ist hier los?«
    »Ich weiß es nicht«, keuchte ich und krümmte mich vor Schmerzen.
    Und das war ausnahmsweise die Wahrheit.
     
    Der Palastführer klatschte am reich geschmückten Eingang zum kaiserlichen Harem in die Hände und hinter dem vergoldeten Gitter des Tors erschien ein Pförtner. Ich trat von einem Bein aufs andere, um eine bequeme Position zu finden, in der sowohl die Verletzungen, die ich mir im Badezimmer zugezogen hatte, also auch meine Hüfte nicht allzu sehr schmerzten. Obwohl Rilla behutsam meine Knochen befühlt und erklärt hatte, es handelte sich nur um Blutergüsse, bereitete es mir Mühe, dazustehen und abzuwarten, bis die Höflichkeiten, die zum Betreten des Harems gehörten, ausgetauscht waren.
    Um nicht ständig daran denken zu müssen, dass ich kläglich daran gescheitert war, Verbindung zu meinem Drachen aufzunehmen, sah ich mir die beiden Schattenmänner an, die das Tor bewachten. Die Eunuchen waren nicht so groß wie Ryko, doch sie trugen eindrucksvolle Muskelpakete an Brust und Armen. Im Palast schien es zwei Arten von Eunuchen zu geben: Die einen bewahrten sich Kraft und Körper eines Mannes, die anderen wurden langsam immer weicher und runder. Was mochte den Unterschied bewirken?
    Ich zog am Stehkragen des Tagesgewands, das Rilla für mich ausgewählt hatte. Es war tieforange gefärbt und auf der Brust über und über mit blassgrünem Bambus bestickt, dem Symbol für Langlebigkeit und Mut. Angesichts der Umstände war das zweifellos eine gute Wahl. Dazu hatte Rilla eine wei te graue Hose ausgesucht, die mir bis zu den Knöcheln reichte. Sie hatte mir gesagt, ich solle nach dem Unterricht zurückkommen und mich umziehen, da es sich nicht schicke, im Drachenrat ein Tagesgewand zu tragen. Früher hatte ich überhaupt nur zwei Gewänder besessen – das eine für die Arbeit, das andere, etwas weniger abgetragene für besondere Anlässe. Inzwischen schien ich meine Kleidung alle paar Stunden zu wechseln.
    »Hier ist Lord Eon, den Seine Hoheit, Prinz Kygo, eingeladen hat«, verkündete der Palastführer.
    Eine Batterie von Schlössern und Riegeln wurde aufgesperrt oder beiseitegeschoben und das Tor öffnete sich. Ein alter Mann verbeugte sich und winkte mich in einen dunklen, engen Gang. Der Knall des sich hinter mir

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