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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schläft. Sieht auch nicht stark oder schnell aus. Er kann sich nicht erinnern, warum es sonst so Ffurcht erregend war.
    Er guckt in dem schwarzen Zimmer herum und dann nach oben. Das Licht schimmert in vielen Augen, die dort oben in Flaschen schwimmen, Menschenaugen ohne Menschen, Tieraugen ohne Tiere. Interessant, aber nicht gut, überhaupt nicht gut.
    Erneut fragt er sich, was er hier tut. Er erkennt, dass dieser Ort wie ein Abflussrohr ist, in dem du stecken bleibst, wie ein Loch im Boden, in dem große Spinnen leben, die nicht mögen, wenn du deine Schnauze zu ihnen rein steckst. Und dann merkt er, dass das Junger-Mann-böses-Ding auf dem Bett ein bisschen wie die lachenden Jungen ist, die nach Sand und Sonne und Meersalz riechen und dich erst streicheln und hinter den Ohren kraulen und dann versuchen, dein Fell in Brand zu stecken.
    Dummer Hund. Dumm, hier herzukommen. Gut, aber dumm.
    Das böse Ding murmelt im Schlaf.
    Er weicht vom Bett zurück, dreht sich um, klemmt den Schwanz ein und trottet aus dem Zimmer. Er geht die Treppe hinunter, um hier raus zu kommen, keine Angst, keine Angst, nur vorsichtig, keine Angst, doch sein Herz klopft heftig und schnell.
     

Kapitel 18
     

    An Wochentagen hatte Tanya Delaney als eine von Jennifers Privatschwestern die Schicht von Mitternacht bis acht Uhr morgens, die so genannte Friedhofsschicht. In manchen Nächten hätte sie tatsächlich lieber auf dem Friedhof gearbeitet. Jennifer Drackman war gruseliger als alles, was einem nach Tanyas Vorstellungen auf einem Friedhof begegnen könnte.
    Tanya saß in einem Sessel neben dem Bett der blinden Frau und las still in einem Roman von Mary Higgins Clark. Sie las gerne und war von Natur aus ein Nachtmensch, deshalb kam ihr die Frühmorgenschicht sehr gelegen. In manchen Nächten konnte sie einen ganzen Roman lesen und einen neuen anfangen, weil Jennifer durchschlief.
    Zu anderen Zeiten konnte Jennifer überhaupt nicht schlafen, fantasierte wirres Zeug und wurde von Panik verzehrt. Wenn das der Fall war, wusste Tanya zwar, dass die Angst der armen Frau irrational war und dass es nichts gab, wovor man sich fürchten musste. Dennoch war die Angst der Patientin so stark, dass sie sich auf die Krankenschwester übertrug. Tanya bekam dann selber eine Gänsehaut, es kribbelte ihr im Nacken, sie schaute besorgt in die Dunkelheit jenseits des Fensters, als ob dort etwas lauerte, und zuckte bei jedem unerwarteten Geräusch zusammen.
    Zumindest waren die Stunden vor dem Morgengrauen an jenem Mittwoch nicht von Rufen, gequälten Schreien und Aneinanderreihungen von Wörtern erfüllt, die so sinnlos waren wie das manische Geplapper eines religiösen Fanatikers, der in Zungen redet. Statt dessen schlief Jennifer, wenn auch nicht gut, und wurde von schlimmen Träumen heimgesucht. Von Zeit zu Zeit stöhnte sie, ohne aufzuwachen, griff mit ihrer gesunden Hand nach dem Bettgitter und versuchte ohne Erfolg, sich hochzuziehen. Mit den knochigen weißen Fingern, die sich um das Metall krallten, den verkümmerten Muskeln, die sich auf ihren fleischlosen Armen kaum abzeichneten, dem ausgemergelten bleichen Gesicht, den zugenähten Augenlidern, die über den leeren Höhlen einsackten, sah sie eher aus wie eine Leiche, die sich bemüht, aus dem Sarg zu steigen, und nicht wie eine kranke Frau im Bett. Wenn sie im Schlaf redete, schrie sie nicht, sondern sprach fast flüsternd und mit ungeheurer Eindringlichkeit; ihre Stimme schien aus der Luft zu kommen und genauso unheimlich durch das Zimmer zu schweben wie die Stimme eines Geistes, der bei einer Seance spricht: »Er wird uns alle töten… töten…er wird uns alle töten…«
    Tanya schauderte und versuchte, sich auf den Kriminalroman zu konzentrieren, obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihre Patientin ignorierte. Zumindest sollte sie die knochige Hand vom Geländer lösen, Jennifers Stirn befühlen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht fieberte, ihr beruhigende Worte zuflüstern und versuchen, sie durch den stürmischen Traum in ruhigere Regionen des Schlafs zu führen. Sie war eine gute Krankenschwester, und normalerweise hätte sie keine Sekunde gezögert, einen Patienten, der einen Alptraum hatte, zu trösten. Doch sie blieb mit ihrem Clark-Roman im Sessel sitzen, weil sie nicht das Risiko eingehen wollte, Jennifer zu wecken. Wenn sie erst einmal wach war, könnte die Frau aus dem Alptraum in einen dieser furchtbaren Anfälle aus Schreien, tränenlosem Weinen, Klagen und

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