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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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konnte man leicht glauben, dass das kühle, filigrane Muster eigentlich eine Spur von Tränen auf seiner Haut war, vergossen von der toten Frau, aus Freude über diese hochheilige Berührung.
    Die übrigen Augen auf den Regalbrettern, die aus der Isolation ihres von Glaswänden umgebenen flüssigen Universums zusahen, schienen neidisch auf die blauen Augen zu sein, denen er gestattet hatte, bei ihm zu sein.
    Bryan wünschte sich, er könnte seine Mutter hierher bringen und ihr all die Augen zeigen, die ihn verehrten und liebten, ihn mit Ehrfurcht betrachteten und nichts an ihm fanden, wovon sie ihren Blick abwenden wollten.
    Aber natürlich würde sie nicht hinschauen, könnte es gar nicht sehen. Die sture, vertrocknete Hexe würde weiter darauf bestehen, ihn zu fürchten. Sie betrachtete ihn als etwas Abscheuliches, obwohl selbst ihr klar sein sollte, dass er dabei war, eine Gestalt von transzendenter, geistiger Macht zu Werden, das strafende Schwert, Auslöser des Armageddons und Retter einer Welt, die von zu vielen Menschen verseucht war.
    Er legte das blaue Augenpaar in das offene Glas zurück und schraubte den Deckel zu.
    Einen Hunger hatte er mit Plätzchen und Chips befriedigt, einen anderen dadurch, dass er der in den Gläsern versammelten Gemeinde seine Herrlichkeit offenbart und sich vergewissert hatte, dass sie Ehrfurcht vor ihm hatten. Jetzt war es an der Zeit, ein Weilchen zu schlafen und seine Batterien wieder aufzuladen; das Morgengrauen rückte näher, und er musste diverse Versprechen halten.
    Er machte es sich auf dem ungemachten Bett bequem und griff nach dem Schalter der Nachttischlampe, doch dann beschloss er, das Licht anzulassen. Die körperlosen Kommunikanten in den Gläsern könnten ihn besser sehen, wenn das Zimmer nicht ganz dunkel war. Ihm gefiel der Gedanke, dass er selbst dann noch bewundert und verehrt würde, wenn er schlief.
    Bryan Drackman schloss die Augen, gähnte, und wie immer kam der Schlaf sofort. Träume: große Städte, die zusammenfielen, brennende Häuser, einstürzende Denkmäler, Massengräber aus geborstenem Beton und verbogenem Stahl, die sich bis zum Horizont erstreckten und von so vielen Scharen gieriger Geier heimgesucht wurden, dass deren Flug den Himmel verdunkelte.
     

Kapitel 17
     

    Er sprintet, trabt, läuft noch langsamer und schleicht sich schließlich vorsichtig von einem Schatten zum nächsten, während er dem Ding-das-dich-töten-wird immer näher kommt.
    Sein Geruch ist reif, stark und übel. Nicht schmutzig wie bei dem stinkenden Mann. Anders. Doch auf seine Weise schlimmer. Interessant.
    Er hat keine Angst. Er hat keine Angst. Keine Angst. Er ist ein Hund. Er hat scharfe Zähne und Klauen. Stark und schnell. Das Bedürfnis, zu verfolgen und zu jagen, steckt ihm im Blut. Er ist ein Hund, schlau und wild, und er läuft vor nichts davon. Er ist dazu geboren, zu jagen und nicht gejagt zu werden, und er verfolgt furchtlos alles, was er will, sogar Katzen. Obwohl Katzen ihm die Nase zerkratzt, ihn gebissen und gedemütigt haben, jagt er sie immer noch unerschrocken, denn er ist ein Hund, vielleicht nicht so raffiniert wie manche Katzen, aber ein Hund.
    Er trottet an einer Reihe dichter Oleanderbüsche vorbei. Schöne Blumen. Beeren. Iß die Beeren nicht. Machen dich krank. Das kann man riechen. Auch die Blätter. Auch die Blüten.
    Iß überhaupt keine Blumen. Er hat mal versucht, eine zu fressen. Es war eine Biene in der Blume, dann in seinem Maul, summte in seinem Maul herum und stach ihn in die Zunge. Ein sehr schlimmer Tag. Schlimmer als Katzen.
    Er schleicht weiter. Keine Angst. Nein. Nein. Er ist ein Hund.
    Menschenort. Hohe, weiße Mauern. Fenster dunkel. Fast ganz oben ein schwach erleuchtetes Viereck.
    Er schleicht an der Seite des Ortes entlang.
    Der Geruch nach dem bösen Ding ist hier ganz stark und wird immer stärker. Brennt fast in der Nase. Wie Ammoniak, aber nicht ganz so. Ein kalter Geruch und finster, kälter als Eis und finsterer als die Nacht.
    Auf halbem Weg bleibt er an der hohen weißen Mauer stehen. Lauscht. Schnuppert.
    Er hat keine Angst. Er hat keine Angst.
    Über ihm macht etwas huuuuuu.
    Er hat Angst. Er fährt herum und läuft auf demselben Weg zurück, den er gekommen ist.
    Huuuuuu.
    Warte. Er kennt dieses Geräusch. Eine Eule, die oben durch die Nacht rauscht und ihre eigene Beute jagt.
    Er hat sich von einer Eule angst machen lassen. Schlechter Hund. Schlechter Hund. Schlecht.
    Denk an den Jungen. Die Frau und den Jungen.

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