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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Jazzinterpretation. Die Musik war Schrott. Ellington konnte man einfach nicht verbessern.
    Auf dem Tisch standen zwei Kaffeetassen und zwei Cognac-Schwenker, in denen der Remy wie flüssiges Gold schimmerte.
    »Die Hamburger kommen in ein paar Minuten«, sagte Connie, während er einen der schwarzen Holzstühle hervorzog und sich setzte.
    Psychose. Kinder. Zauberei.
    Nichts.
    Er beschloss, eine Weile nicht mehr über Ticktack nachzudenken. Dem Unterbewusstsein eine Chance zu geben, ohne Druck zu arbeiten.
    «I gotta know«, sagte er und warf Connie den Titel eines Presley-Songs als Köder vor.
    »Was wissen?«
    »Tell Me Why.«
    »Was?«
    »It’s Now or Never.«
    Sie kapierte und lächelte. »Ich bin ein fanatischer Presley-Fan.«
    »Den Eindruck hatte ich.«
    »Traf sich ja ganz gut.«
    »Hat vermutlich Ordegard daran gehindert, eine weitere Handgranate nach uns zu werfen, und uns das Leben gerettet.«
    »Auf den King des Rock ‘n’ Roll«, sagte sie und hob ihren Cognacschwenker.
    Die Band hörte auf, die Ellington-Stücke zu verhunzen, und machte eine Pause. Vielleicht gab es ja doch einen Gott im Himmel und eine heilige Ordnung im Universum.
    Harry und Connie ließen die Gläser klingen und nippten. Er sagte: »Warum Elvis?«
    Sie seufzte. »Der frühe Elvis - das war schon was. Bei ihm ging’s immer um Freiheit, darum, so zu sein, wie du sein willst, dich nicht länger herumschubsen zu lassen, weil du anders bist. Don’t step on my blue suede shoes. Die Lieder aus seinen ersten zehn Jahren waren bereits Oldies, als ich sieben oder acht war, aber sie sprachen mich an. Verstehst du?«
    »Sieben oder acht? Starker Tobak für ein kleines Kind. Ich meine, in vielen dieser Lieder ging’s um Einsamkeit, gebrochene Herzen.«
    » Sicher. Er war halt diese Art Traumgestalt - ein sensibler Rebell, höflich, aber ließ sich nichts gefallen, romantisch und zynisch zugleich. Ich bin in Waisenhäusern und Heimen aufgewachsen, deshalb wusste ich, was Einsamkeit bedeutete, und mein Herz hatte auch schon ein paar Knackser abgekriegt.«
    Die Kellnerin brachte ihre Hamburger und füllte ihre Kaffeetassen auf.
    Harry fühlte sich allmählich wieder wie ein menschliches Wesen. Zwar eines, das schmutzig und zerknittert war, dem alles weh tat und das erschöpft und verängstigt war, aber dennoch ein menschliches Wesen.
    »Okay«, sagte er. »Ich kann verstehen, dass man sich für den frühen Elvis begeistert, sich an die frühen Songs erinnert. Aber später?«
    Während sie sich Ketchup über ihren Hamburger schüttete, sagte Connie. »Auf seine Art ist das Ende genauso interessant wie der Anfang. Eine amerikanische Tragödie.«
    »Tragödie? Als fetter Sänger in mit Pailletten besetzten Overalls in Las Vegas zu enden?«
    »Klar. Der gut aussehende und mutige King, so viel versprechend und erhaben - dann stürzt er wegen eines tragischen Fehlers, fällt ganz tief und ist mit 42 tot.«
    »Gestorben auf einer Toilette.«
    »Ich hab’ ja nicht gesagt, das sei Tragödie a la Shakespeare. Es ist ein Element des Absurden darin enthalten. Das macht es zu einer amerikanischen Tragödie. Kein Land der Welt hat unseren Sinn fürs Absurde.«
    »Ich glaube allerdings kaum, dass die Demokraten oder Republikaner in absehbarer Zeit diesen Ausspruch als Wahlkampfslogan benutzen werden.« Der Hamburger war köstlich. Mit einem Bissen davon im Mund sagte er: »Was war denn Elvis’ tragischer Fehler?«
    »Er weigerte sich, erwachsen zu werden. Oder vielleicht war er nicht in der Lage dazu.«
    »Sagt man nicht, dass ein Künstler immer an dem Kind in sich festhält?«
    Sie biss in ihr Sandwich und schüttelte den Kopf. »Das ist aber nicht dasselbe, wie ewig ein Kind zu sein. Sieh mal, der junge Elvis Presley wollte Freiheit, hatte ein Verlangen danach, genau wie ich es immer hatte, und die Art, wie er die absolute Freiheit erlangte, alles zu tun, was er wollte, war über seine Musik. Doch als er sie hatte, als er für immer hätte frei sein können… nun, was passierte?«
    »Sag’s mir.«
    Sie hatte ganz offensichtlich sehr viel darüber nachgedacht. »Elvis verlor die Orientierung. Vermutlich wurde ihm der Ruhm wichtiger als die Freiheit. Wirkliche Freiheit, Freiheit mit Verantwortung und nicht Freiheit von Verantwortung - das ist ein angemessener Erwachsenentraum. Aber Ruhm ist nur ein billiger Nervenkitzel. Man muss ganz schön unreif sein, um Ruhm wirklich genießen zu können, meinst du nicht auch?«
    »Ich würde ihn nicht wollen. Würde

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