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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wollte den Mistkerl tot sehen.
    In all dem Geschrei versuchte Connie, den Dialog wiederherzustellen: »Love Me Tender.«
    »Teil Me Why«, wollte der Mann wissen, der wohl immer noch an ihrer Aufrichtigkeit zweifelte.
    »My Baby Left Me«, sagte Connie.
    Die Schreie auf dem unteren Stockwerk ließen nach. Entweder starb der verletzte Mann, oder er wurde von anderen aus dem Raum getragen, in dem die Handgranate detoniert war.
    »Anyway You want me«, sagte Connie.
    Der Mann war einen Augenblick lang still. Dann hallte seine Stimme durch den Raum, und - verflucht noch mal - wieder war nicht festzustellen, aus welcher Richtung sie kam: »I Feel So Bad.*
    »I’m Ybtfrs«, sagte Connie.
    Harry konnte es nicht fassen, in welchem Tempo ihr die passenden Titel einfielen.
    »Lonely Man«, sagte der Kerl und hörte sich tatsächlich ziemlich erbärmlich an.
    »I’ve Got a Thing About You Baby«, sagte Connie.
    Sie ist ein Genie, dachte Harry bewundernd. Und regelrecht besessen von Presley.
    Weil er damit rechnete, dass Connies Gesprächspartner ziemlich stark von ihrem seltsamen Werben abgelenkt war, ging Harry das Risiko ein, gesehen zu werden. Da er sich direkt unter dem Dachfirst befand, richtete er sich langsam zu seiner vollen Größe auf und sah sich nach allen Seiten in dem Dachboden um.
    Einige Kistenstapel waren schulterhoch, doch viele gingen Harry nur so eben über die Taille. Zahlreiche menschliche Gestalten starrten ihm aus dem Dunkel entgegen, teilweise zwischen den Kisten eingeklemmt oder sogar auf ihnen sitzend. Doch es mussten alles Schaufensterpuppen sein, denn keine bewegte sich oder schoss auf ihn.
    »Lonely Man. All Shook up«, sagte der Mann verzweifelt.
    »There’s Always Me.«
    »Please Don’t Stop Loving Me.«
    »Can’t Help Falling in Love«, sagte Connie. * Im Stehen hatte Harry ein etwas besseres Gefühl dafür, woher die Stimmen kamen. Sie waren beide vor ihm, doch zunächst konnte er nicht ausmachen, ob sie nahe beieinander waren. Er konnte über die Kisten hinweg in keinen der anderen Gänge des Labyrinths sehen.
    »Don’t Be Cruel«, bat der Mann.
    »Love Me«, drängte Connie.
    »I Need Your Love Tonight.«
    Sie waren am westlichen Ende des Dachbodens, und sie waren nahe beieinander.
    »Stuck on VOM«, beharrte Connie.
    »Don’t be Cruel.«
    Harry spürte, wie sich die Intensität des Dialogs steigerte. Das kam unterschwellig im Tonfall des Mannes zum Ausdruck, in der raschen Aufeinanderfolge der Antworten, und darin, wie er denselben Titel wiederholte.
    »I Need Your Love Tonight.«
    »Don’t Be Cruel.«
    Harry vergaß alle Vorsicht. Er eilte auf die Stimmen zu in einen Bereich, der noch dichter von Schaufensterpuppen bevölkert war. Ganze Gruppen drängten sich in den Nischen zwischen den Kisten. Blasse Schultern, graziöse Arme und Hände, die auf etwas zu zeigen oder wie zum Gruß erhoben schienen. Angemalte Augen, die blicklos in die Dunkelheit starrten, angemalte Lippen, die auf ewig zu einem ansatzweisen Lächeln geteilt waren, zu einer nie ausgesprochenen Begrüßung, einem leidenschaftslosen erotischen Seufzen.
    Dort lebten auch mehr Spinnen, wie die Spinnweben zeigten, die sich in seinen Haaren verhängten und an seinen Kleidern klebten. Im Weitergehen wischte er sich die Fäden aus dem Gesicht. Dünne Fetzen davon lösten sich auf seiner Zunge und seinen Lippen auf, in seinem Mund lief der Speichel zusammen, während ihn ein Gefühl des Ekels überkam. Er würgte im Hals und spuckte einen Klumpen Speichel und Spinnennetz aus.
    »It’s Now or Never«, versprach Connie irgendwo in der Nähe.
    Die vertraute, aus drei Worten bestehende Antwort klang inzwischen weniger wie eine Bitte als wie eine Warnung: »Don’t Be Cruel.«
    Harry hatte das Gefühl, dass sich der Kerl keineswegs einlullen ließ, sondern auf eine neue Explosion zusteuerte.
    Er ging noch ein paar Schritte weiter und blieb dann stehen.
    Angestrengt lauschend drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen, aus Angst, etwas zu versäumen, weil ihm der Schlag seines Herzens so laut in den Ohren dröhnte.
    »I’m Yours, Puppet on a String, Let Yourself Go«, drängte Connie, wobei sie ihre Stimme auf ein Bühnenflüstern senkte, um ein falsches Gefühl von Intimität mit ihrem Opfer zu erzeugen.
    Obwohl Harry viel von Connies Fähigkeiten und ihrer Intuition hielt, fürchtete er, dass sie in ihrem Drang, den Kerl auszutricksen, nicht erkennen könnte, dass er möglicherweise gar nicht aus Verwirrung und Sehnsucht

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