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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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versuchen.
    Immer noch erst halbfertig schritt Vince an dem Hund vorbei auf sie zu.
    Sie drehte sich um und rannte los - Danny mit sich ziehend -in der Erwartung, mitten im Laufen zu erstarren. Wie würde das sein? Würde sich Dunkelheit über sie senken, wenn sie gelähmt war, oder könnte sie immer noch sehen, wie Vince von hinten in ihr Gesichtsfeld trat und ihr dann wieder Auge in Auge gegenüberstand? Würde sie in einem See des Schweigens versinken, oder würde sie immer noch die verhasste Stimme des toten Mannes hören können? Den Schmerz jedes Schlages spüren, den er auf sie niedergehen ließ, oder so empfindungslos sein wie der schwebende Eukalyptuszweig?
    Wie eine Wasserflut toste eine Windböe durch die Gasse und warf sie fast um. Die Welt war wieder mit Geräuschen erfüllt.
    Sie wirbelte herum und sah gerade noch, wie Woofer in der Luft wieder zum Leben erwachte und seinen unterbrochenen Sprung beendete. Bloß war niemand mehr da, den er hätte angreifen können. Vince war verschwunden. Der Hund landete auf dem Pflaster, rutschte, geriet ins Schlittern, rollte sich auf den Rücken und sprang wieder auf die Füße, wobei er mit dem Kopf ängstlich und verwirrt in die Luft schnappte und nach seiner Beute suchte, als ob sie sich vor seinen Augen in Nichts aufgelöst hätte.
    Danny weinte.
    Die Bedrohung schien vorbei zu sein. Die kleine Seitenstraße war ausgestorben, bis auf Janet, ihren Jungen und den Hund. Dennoch eilte sie mit Danny zum Auto, um so schnell wie möglich wegzukommen. Dabei blickte sie wiederholt zu der von Unterholz überwucherten Schlucht und auf die tiefen Schatten zwischen den riesigen Bäumen, an denen sie vorbeikam, halb in der Erwartung, den Troll wieder aus seiner Höhle klettern zu sehen, bereit, ihre Herzen früher als versprochen zu verzehren.
    Blitze zuckten. Das Donnergrollen war lauter und näher als vorher.
    Die Luft roch nach dem Regen, der gleich fallen würde. Der Beigeschmack von Ozon erinnerte Janet an den Geruch von warmem Blut.
     

Kapitel 8
     

    Harry Lyon saß an einem Ecktisch im hinteren Bereich des Hamburger-Restaurants. Mit der rechten Hand umklammerte er ein Glas Wasser, die linke lag zur Faust geballt auf seinem Oberschenkel. Ab und zu trank er einen Schluck Wasser, und jeder Schluck schien kälter als der vorherige zu sein, als ob das Glas Kälte statt Wärme von seiner Hand aufnahm.
    Sein Blick glitt über umgeworfene Möbelstücke, kaputte Pflanzen, Glasscherben, verstreute Essensreste und gerinnendes Blut. Neun Verwundete hatte man fortgebracht, aber zwei Tote lagen noch da, wo sie hingefallen waren. Ein Polizeifotograf und ein paar Labortechniker waren bei der Arbeit.
    Harry war sich des Raumes, der Leute und der periodisch aufblitzenden Kamera zwar bewusst, doch was er viel deutlicher sah, war das Mondgesicht des Presley-Fans, das durch die verkeilten Gliedmaßen der Schaufensterpuppen hindurch auf ihn herunter starrte. Die geöffneten Lippen feucht von Blut. Die beiden Fenster, die seine Augen waren, und der Ausblick auf die Hölle dahinter.
    Harry war immer noch genauso überrascht, am Leben zu sein, wie in dem Augenblick, als man den Toten und die Schaufensterpuppe von ihm weggeräumt hatte. In seinem Bauch war immer noch ein dumpfer Schmerz an der Stelle, wo sich die Gipshand der Puppe mit dem vollen Gewicht des Mannes dahinter in ihn gebohrt hatte. Er hatte geglaubt, er sei angeschossen worden. Der Kerl hatte zweimal aus kurzer Entfernung geschossen, aber offenbar waren beide Schüsse von den dazwischen liegenden Gipskörpern und -gliedmaßen abgelenkt worden.
    Von den fünf Schüssen, die Harry abgefeuert hatte, hatten zumindest drei größeren Schaden angerichtet.
    Kriminalbeamte und Techniker passierten die zerschossene Küchentür in seiner Nähe in beiden Richtungen auf dem Weg zum oder vom ersten Stock und Dachboden. Einige sprachen ihn an oder klopften ihm auf die Schulter.
    »Gute Arbeit, Harry.«
    »Harry, alles okay mit dir?«
    »Prima Job, Mann.«
    »Brauchst du irgendwas, Harry?«
    »Ganz schöne Scheiße, was, Harry?«
    Er murmelte »danke«, »ja« oder »nein« oder schüttelte einfach den Kopf. Er war noch nicht zu einem Gespräch mit einem von ihnen bereit, und er war ganz bestimmt nicht bereit, ein Held zu sein.
    Eine Menschenmenge hatte sich draußen angesammelt, drängte sich neugierig gegen die Polizeiabsperrungen und glotzte durch zerbrochene oder ganz gebliebene Fensterscheiben. Er versuchte, sie zu ignorieren, weil zu

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