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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Leben etwas, das er sich nicht erklären kann, eine flüchtige Berührung mit dem Unbekannten.«
    »Mir nicht«, sagte Harry in entschiedenem Ton.
    »Selbst dir. Wenn dieser Kerl von jetzt an jede volle Stunde in einem Wirbelwind angerast kommt, dich um ein Rendezvous bittet, dir einen Zungenkuss geben will - dann hast du vielleicht ein Problem.«
    Armeen von Regentropfen marschierten über das Dach des Bungalows.
    »Ich bin schon ein verkrampfter Zeitgenosse«, sagte Harry. »Das ist mir klar.«
    »Genau. Du bist verkrampft. Bei dir ist nichts locker, kein einziges Schrauben«!, mein Lieber.«
    Ricky und er beobachteten ein paar Minuten den Regen und sagten nichts.
    Schließlich setzte Ricky eine Schutzbrille auf und nahm sich die silberne Gürtelschnalle. Er stellte den Polierer an, der etwa die Größe einer elektrischen Zahnbürste hatte und nicht so laut war, als dass er das Gespräch behindert hätte. Er begann, angelaufene Stellen und winzige Silberspäne aus einem der Muster, die er geätzt hatte, zu entfernen.
    Nach einer Weile seufzte Harry. »Danke, Ricky.«
    »Keine Ursache.«
    Harry brachte seine Tasse und Untertasse zum Waschbecken, spülte sie aus und tat sie in die Spülmaschine.
    Im Radio sang Harry Connick jr. von Liebe.
    Über dem Becken war ein weiteres Fenster. Der heftige Regen machte den Rosen ganz schön zu schaffen. Leuchtende Blütenblätter waren wie Konfetti auf dem durchtränkten Rasen verstreut. Als Harry zum Tisch zurückkam, stellte Ricky den Polierer aus und wollte aufstehen. Harry sagte: »Schon gut, ich find’ allein raus.«
    Ricky nickte. Er wirkte so zerbrechlich.
    »Bis bald.«
    »Es dauert nicht mehr lange, dann fängt die neue Spielzeit an.«
    »Lass uns in der Eröffnungswoche zu einem Spiel der Angels gehen.«
    »Das war schön.«
    Sie waren beide Baseball-Fans. Es lag eine beruhigende Logik in Struktur und Verlauf jedes Spiels. Das war ein Gegengift zum täglichen Leben.
    Auf der vorderen Veranda schlüpfte Harry wieder in seine Schuhe und schnürte sie zu, während die Eidechse, die er beim Kommen erschreckt hatte - oder eine, die genauso aussah -, ihn von der Lehne des nächsten Stuhls aus beobachtete. Leicht schillernde grüne und violette Schuppen schimmerten matt an den Biegungen ihres Körpers, als ob jemand eine Handvoll Halbedelsteine auf dem weißen Holz abgelegt hätte.
    Er lächelte dem winzigen Drachen zu.
    Er fühlte sich wieder im Gleichgewicht und ganz ruhig.
    Als er von der letzten Stufe auf den kleinen Weg und in den Regen trat, blickte Harry zum Auto und sah, dass jemand vorne auf dem Beifahrersitz saß. Eine schattenhafte, grobschlächtige Gestalt. Wirre Haare und ein verfilzter Bart. Der Eindringling hatte das Gesicht von Harry abgewandt, doch dann drehte er den Kopf. Selbst durch das regennasse Seitenfenster und aus einer Entfernung von zehn Metern war der Penner sofort zu erkennen.
    Harry drehte sich hastig zum Haus zurück, um Ricky Estefan zu rufen, aber er änderte seinen Entschluss, als ihm einfiel, wie plötzlich der Landstreicher beim letzten Mal verschwunden war.
    Er blickte zum Auto in der Erwartung, dass die Erscheinung sich in Luft aufgelöst hätte. Doch der Eindringling war noch da.
    In seinem unförmigen schwarzen Regenmantel schien der Mann zu groß für die Limousine zu sein, als ob er nicht in einem richtigen Auto säße, sondern in einem Autoskooter auf der Kirmes.
    Harry eilte rasch, durch graue Pfützen platschend, über den kleinen Weg. Als er sich der Straße näherte, sah er die Narben auf dem Gesicht des Wahnsinnigen, die ihm gut im Gedächtnis geblieben waren - und die roten Augen.
    Als er das Auto erreichte, sagte Harry: »Was machst du da drin?«
    Selbst durch das geschlossene Fenster war die Antwort des Penners deutlich zu hören: »Ticktack, ticktack, ticktack…«
    »Hau ab«, befahl Harry.
    »Ticktack… ticktack…«
    Etwas Undefinierbares, aber Beunruhigendes im Grinsen des heruntergekommenen Subjekts ließ Harry zögern.
    »… ticktack…«
    Harry zog seinen Revolver und hielt ihn mit der Mündung nach oben. Seine linke Hand legte er auf den Türgriff.
    »… ticktack…«
    Die feuchten roten Augen entmutigten Harry. Sie sahen aus wie Blutblasen, die jeden Moment aufplatzen und das ergraute Gesicht herunter laufen könnten. Ihr Anblick war unmenschlich und entnervend.
    Bevor ihn sein Mut ganz verließ, riss er die Tür auf.
    Er wurde fast von einem kalten Windstoß umgeworfen und taumelte zwei Schritte zurück. Der

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