Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Zufahrtsweg war noch menschenleer, als er sein Garagentor erreichte und hochzog. Doch in dem Moment, als es nach oben schwang, tauchte ein Feuerwehrmann auf und brüllte ihn an, er solle dort verschwinden.
    »Polizei!« antwortete Harry. Er hoffte, das würde ihm die paar Sekunden einbringen, die er brauchte, ohne dass er sich die Zeit nahm, seine Dienstmarke vorzuzeigen.
    Die fallende Glut hatte das lange Garagendach bereits an einigen Stellen in Brand gesetzt. Leichter Rauch, der von der schwelenden Teerpappe zwischen den Sparren und den Schindeln herabsickerte, begann seine Doppelgarage zu füllen.
    Schlüssel. Harry fürchtete plötzlich, dass er sie auf dem Tisch in der Diele oder in der Küche gelassen hatte. Während er wegen des feinen, aber beißenden Rauchs hustend auf das Auto zuging, klopfte et wie wild gegen seine Taschen und war erleichtert, als er die Schlüssel in seiner Sportjacke klimpern hörte.
    Erst alles, was du liebst…
    Er setzte rückwärts aus der Garage, schaltete, fuhr an dem Feuerwehrmann vorbei, der ihn angebrüllt hatte, und verließ den Zufahrtsweg ganze zwei Sekunden, bevor ein Feuerwehrauto einbog, das ihn versperrt hätte. Sie stießen beinah mit den Stoßstangen zusammen, als Harry schwungvoll mit dem Honda auf die Straße bog.
    Nachdem er drei oder vier Blocks ungewohnt rücksichtslos gefahren war, sich durch den Verkehr geschlängelt und die roten Ampeln ignoriert hatte, schaltete sich plötzlich von selbst das Radio an. Die tiefe, krächzende Stimme des Landstreichers hallte aus den Stereolautsprechern und schreckte ihn auf.
    »Muss mich jetzt ausruhen, Held. Muss mich ausruhen.«
    »Was, zum Teufel…?«
    Nur ein atmosphärisches Pfeifen antwortete ihm.
    Harry ging ein wenig vom Gaspedal. Er streckte die Hand nach dem Radio aus, um es abzuschalten, doch dann zögerte er.
    »Sehr müde… ein kleines Nickerchen…«
    Atmosphärisches Pfeifen.
    »… deshalb hast du eine Stunde…«
    Pfeifen.
    »… aber ich komme wieder…«
    Pfeifen.
    Statt auf den dichten Verkehr zu achten, starrte Harry immer noch auf die erleuchtete Einstellskala des Radios. Sie schimmerte in einem sanften Grün, doch sie erinnerte ihn an die leuchtend roten Augen - erst Blut, dann Feuer - des Landstreichers.
    »… großer Held… nichts als wandelndes Fleisch…«
    Pfeifen.
    »… jeden erschießen, den du willst… großer Mann… aber mich zu erschießen… damit ist niemals was erledigt… nicht bei mir… nicht bei mir…«
    Pfeifen. Pfeifen. Pfeifen.
    Das Auto fuhr durch eine überflutete Senke in der Straße. Phosphoreszierende weiße Wassermassen breiteten sich auf beiden Seiten aus wie Engelsflügel.
    Harry berührte die Stationstasten, rechnete halb mit einem elektrischen Schlag oder Schlimmerem, doch es passierte nichts. Er drückte die Aus-Taste, und das Pfeifen hörte auf.
    Die nächste rote Ampel versuchte er nicht zu überfahren. Er hielt hinter einer Reihe von Autos gemächlich an und bemühte sich, die Ereignisse der letzten paar Stunden irgendwie zu ordnen, damit sie einen Sinn ergaben.
    Who you gonna call?
    Er glaubte nicht an Geister oder an Geisterbeschwörer.
    Dennoch zitterte er, und das nicht nur, weil seine Sachen noch feucht waren. Er stellte die Heizung an.
    Who you gonna call?
    Geist oder nicht, den Landstreicher hatte er sich zumindest nicht eingebildet. Er war kein Zeichen für einen Nervenzusammenbruch. Er war real. Vielleicht nicht menschlich, aber real.
    Diese Erkenntnis war merkwürdig beruhigend. Was Harry am meisten fürchtete, war nicht das Übernatürliche oder das Unbekannte - sondern das innere Chaos des Wahnsinns, eine Bedrohung, die jetzt durch einen äußeren Gegner ersetzt zu sein schien, der zwar unvorstellbar bizarr und erschreckend mächtig, aber zumindest äußerlich war.
    Als die Ampel auf Grün umschaltete und der Verkehr sich wieder in Bewegung setzte, stellte er fest, dass er in Newport Beach war. Offenbar war er von Irvine aus westlich auf die Küste zu und dann Richtung Norden gefahren, und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, wohin er wollte. Costa Mesa. Das Apartment von Connie Gulliver.
    Er war überrascht. Die brennende Erscheinung hatte versprochen, alles zu zerstören, was er liebte, bevor sie ihn selbst zerstörte, und das alles bis zum Morgengrauen. Dennoch hatte Harry beschlossen, zu Connie zu fahren, bevor er nach seinen Eltern in Carmel Valley sah. Zwar hatte er sich im Laufe des Tages eingestanden, dass er ein stärkeres Interesse an ihr hatte,

Weitere Kostenlose Bücher