Drachentränen
auf den Fotos lag. Der Register. Eine Schlagzeile fiel ihr ins Auge: SCHIESSEREI IN EINEM RESTAURANT IN LAGUNA BEACH… ZWEI TOTE, ZEHN VERLETZTE.
Sie starrte die Schlagzeile längere Zeit beklommen an. Vor einer Minute war die Zeitung noch nicht da gewesen, war nirgendwo im Haus gewesen, aus dem einfachen Grund, weil sie sie nicht gekauft hatte.
Als sie sich ein neues Bier aus dem Kühlschrank geholt hatte, hatte sie dem Tisch nie den Rücken zugewandt. Sie war sich völlig sicher, dass außer ihr niemand in der Wohnung war. Doch selbst wenn jemand eingedrungen wäre, hätte sie ihn auf jeden Fall in die Küche kommen sehen.
Connie fasste die Zeitung an. Sie war echt, aber sie fühlte sich dermaßen kalt an, als ob sie Eis angefasst hätte.
Sie hob sie hoch.
Sie stank nach Rauch. Die Seiten waren an den Rändern braun, gingen dann in Gelb über und waren zur Mitte hin weiß, als ob sie kurz vor dem Verbrennen aus einem Feuer gerettet worden wären.
Kapitel 20
Die Wipfel der höchsten Palmen verschwanden in dem dichten Qualm.
Fassungslose und weinende Anwohner wichen zurück, als Feuerwehrmänner in gelb-schwarzen Plastikjacken und hohen Gummistiefeln die Schläuche von den Wagen abrollten und sie über Gehwege und Blumenbeete zogen. Andere Feuerwehrmänner kamen mit Äxten in der Hand angelaufen. Einige trugen Sauerstoffgeräte, damit sie in die Rauchgefüllten Eigentumswohnungen vordringen konnten. Ihrem raschen Eintreffen war es zu verdanken, dass die meisten Apartments gerettet werden konnten.
Harry Lyon warf einen Blick auf seine eigene Wohnung an der Südseite des Gebäudes, und ein schmerzliches Gefühl von Verlust durchbohrte ihn. Alles weg. Seine alphabetisch aufgestellte Büchersammlung, seine CDs, die fein säuberlich nach Musikrichtung und Name des Künstlers in Schubladen geordnet waren, seine saubere, weiße Küche, seine sorgfältig gepflegten Topfpflanzen, die neunundzwanzig Bände seines Tagebuches, das er jeden Tag penibel führte, seit er neun war (ein eigener Band für jedes Jahr) - alles weg. Bei dem Gedanken an das gierige Feuer, das sich durch seine Räume fraß, an den Ruß, der sich über das wenige legte, was das Feuer nicht verzehrte, und an alles Glänzende, das fleckig und stumpf wurde, wurde ihm schlecht.
Ihm fiel sein Honda ein, der in der Garage an der Rückseite des Gebäudes stand, und er machte ein paar Schritte in diese Richtung, blieb dann jedoch stehen, weil es ihm töricht vorkam, sein Leben zu gefährden, um ein Auto zu retten. Außerdem war er der Vorsitzende der Eigentümergemeinschaft. In einem solchen Augenblick sollte er bei seinen Nachbarn bleiben, ihnen gut zureden, sie trösten und wegen der Versicherung und anderer Angelegenheiten beraten.
Während er seinen Revolver in das Schulterholster steckte, um die Feuerwehrleute nicht zu beunruhigen, erinnerte er sich an etwas, das der Landstreicher zu ihm gesagt hatte, als er ihn gegen die Wand presste und er keine Luft bekam: Erst alles, was du liebst… dann dich!
Als er über diese Worte und ihre möglichen Konsequenzen nachdachte, wurde er urplötzlich von einer tiefen Furcht ergriffen, schlimmer als alle Angst, die er je verspürt hatte, eine Furcht so düster, wie das lodernde Feuer dort vor ihm hell war.
Also ging er doch zur Garage. Plötzlich brauchte er das Auto dringend.
Während Harry Feuerwehrmännern auswich und um das Gebäude herumging, füllte sich die Luft mit Tausenden von glühenden Aschestücken, die wie funkelnde Motten herumstoben und -flatterten und auf den spiralförmig aufsteigenden Wärmeströmen tanzten. Oben auf dem Dach folgte auf einen verheerenden Knall ein Krachen, das die Nacht erschütterte. Ein Hagel brennender Schindeln fiel mit lautem Klappern auf den Bürgersteig und die anliegenden Sträucher.
Harry kreuzte seine Arme über dem Kopf, aus Angst, dass die lodernden Zedernstücke seine Haare in Brand setzen könnten, und hoffte, dass seine Kleider immer noch zu feucht waren, um sich zu entzünden. Nachdem er dem Feuerregen unverletzt entkommen war, ging er durch ein nasses Eisentor, das noch kalt vom Regen war.
Hinter dem Gebäude war der nasse Asphalt mit dem Glas der auf der Rückfront explodierten Fenster sowie mit zahlreichen Pfützen übersät. Auf den Wasserspiegeln tummelten sich kupferfarbene und bordeauxrote Bilder des leuchtenden Sturms, der auf dem Dach des Hauptgebäudes tobte. Glühende Schlangen glitten beim Laufen um Harrys Füße.
Der hintere
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