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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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Während sie warteten, versuchte Temeraire mit möglichst beiläufiger Stimme, als handele es sich um eine gewöhnliche Plauderei, zu fragen: »Sie wissen nicht zufällig, mit wem sich Gentius gepaart hat?«
     
    Der alte Langflügler warf Temeraire einen desinteressierten Blick zu, als dieser landete, und wirkte wenig neugierig. »Ja?«, fragte er. Seine Höhle war nicht sonderlich groß, aber ein behaglich trockener Felseinschnitt, gut überdacht von einem Vorsprung im Hang. Sie lag etwas höher und eröffnete den Blick auf eine Flussbiegung, sodass Gentius nur ein Stück hinabkriechen musste, wenn er einen Schluck trinken wollte, ohne sich die Mühe machen zu müssen, mehr oder weniger weit zu fliegen. Danach ging es wieder bergauf zu einem breiten, flachen Felsen, der in der prallen Sonne lag. Auf diesem hatte er gerade ein Schläfchen gehalten. »Ich bitte um Verzeihung, dass ich nicht schon früher auf einen Besuch vorbeigekommen bin«, setzte Temeraire an und neigte seinen Kopf. »Ich habe die letzten drei Jahre in Dover gedient, gemeinsam mit Excidium – deinem dritten Spross«, fügte er hinzu, als Gentius verständnislos zu ihm aufsah.
    »Ja, natürlich Excidium«, sagte Gentius, und während seine Zunge bereits probeweise hervorschnellte, legte Temeraire eine tote Kuh vor ihm auf den Boden. Er hatte sie mithilfe von Monceys kleinen Klauen so weit zerlegt, dass die großen Knochen griffbereit herausragten. »Ein unbedeutendes Geschenk, um meinen Respekt zu erweisen«, schleimte Temeraire, und Gentius’ Miene hellte sich auf. »Also das ist wirklich très gentil von dir«, sagte er mit haarsträubender Aussprache. Gerade noch rechtzeitig schluckte Temeraire jede
Form der Berichtigung hinunter und sah zu, wie sich Gentius das Tier ins Maul steckte und langsam mit den wackligen Überresten seiner Zähne darauf herumkaute. »Ganz prächtig, wie meine frühere Kapitänin zu sagen pflegte«, murmelte Gentius, in Erinnerungen schwelgend. »Du kannst hineingehen und ihr Bild holen, wenn du sehr vorsichtig bist«, fügte er hinzu.
    Das Porträt war recht alt und hatte wenig Tiefenschärfe. Die abgebildete Frau sah ziemlich unscheinbar aus und war es sicherlich auch gewesen, bevor die Zeit und Wind und Wetter ihre Spuren hinterlassen hatten. Aber das Gemälde steckte in einem wahrlich prachtvollen Rahmen, der so groß und dick war, dass Temeraire ihn sorgsam zwischen zwei Krallenspitzen packen und hochheben konnte, um ihn hinaus in die Sonne zu tragen. »Wie schön«, sagte er ernst und hielt ihn so, dass Gentius zumindest mit dem Kopf in die Richtung nicken konnte, auch wenn seine Augen so milchig vom Star waren, dass er wohl nicht mehr als verschwommene Farben in einem goldenen Quadrat sehen konnte.
    »Eine bezaubernde Frau«, sagte Gentius traurig. »Sie hat mir meinen ersten Happen zu fressen gegeben – frische Leber –, und mein Kopf war noch nicht größer als ihre Hand. Über die erste Kapitänin kommt man nie hinweg, musst du wissen.«
    »Stimmt«, flüsterte Temeraire und wandte unglücklich den Blick ab. Immerhin hatte man Gentius nicht seine Lenkerin weggenommen und sie Gott weiß wohin gebracht.
    Er stellte nicht minder vorsichtig das Porträt zurück und lauschte einer langen Geschichte über die Kriege, in denen Gentius gedient hatte. Es handelte sich um eine Auseinandersetzung mit den Preußen zu der Zeit, als die ersten Schrapnellkanonen erfunden worden waren: sehr unangenehme Dinger, vor allem, wenn man überhaupt nicht auf sie eingestellt war. Und schließlich war Gentius so weit, dass er sich mitleidig und mit missbilligendem Kopfschütteln anhörte, wie sich Requiescat aufgeführt hatte. »Keine Manieren mehr heutzutage, das ist das ganze Problem.«
    »Ich bin froh, dass du das sagst. Ich denke genauso, aber ich bin noch jung und war mir ohne den Rat eines Weiseren, wie du einer bist, nicht sicher«, sagte Temeraire, und dann folgte er einer plötzlichen Eingebung und fügte hinzu: »Ich schätze, als Nächstes wird er auf die Idee kommen, dass jeder von uns, der einen Schatz hat, der ihm auch gefällt – vielleicht Gold oder Juwelen –, diesen an ihn abtreten muss. Das wäre die logische Folge.«
    Diese Vorstellung reichte aus, um Gentius aufzubringen, denn schließlich hatte er selbst einen hübschen Schatz, auf den er aufzupassen hatte. »Ich sehe keinen Punkt, in dem du im Unrecht bist«, sagte er unheilschwanger. »Natürlich können wir nicht zulassen, dass sich Winchester Höhlen

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