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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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holen.«
    »Aber wie sind Sie hergekommen?«, fragte Laurence, während sie sich einen Weg durch die altertümlichen Seitengassen suchten. Die Stadt sah ganz danach aus, als ob sie bereits aufgegeben worden sei. All jene Fenster und Türen, die noch unversehrt waren, waren allesamt fest verschlossen und einige sogar vernagelt, was den Häuserfronten einen unfreundlichen, abweisenden Anblick verlieh.
    »Woher wussten Sie, dass ich in der Stadt …«
    »Die Stadt herauszufinden war nicht das Problem; die Bergungsschiffe wussten, welchen Hafen die Boote der Goliath angesteuert hatten«, sagte Tharkay. »Ich schätze, ich war sogar vor Ihnen hier. Viel schwieriger war es zu erkunden, wo man Sie untergebracht hatte. Ich war so töricht, mir zuerst die Mühe zu machen, diese hier«, er zeigte Laurence ein gefaltetes Päckchen Papier, »vom Hafenadmiral zu holen, in der Annahme, er wüsste, wo sich der Gefangene befindet, den er mir übergeben soll. Aber er ließ mich zwei Stunden in der Halle stehen, stritt eine weitere Stunde lang mit mir herum, und erst als ich seine Unterschrift endlich ergattert hatte, rückte er damit heraus, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wo Sie sich befinden könnten, da der Hafen in Flammen stand.«
     
    Schließlich erreichten sie eine wenig bewachsene Lichtung. Es handelte sich um einen Kurierstützpunkt, wo sie bereits von der kleinen Gherni erwartet wurden, die aufgeregt herumflatterte. In drängendem Tonfall zischte sie Tharkay etwas zu. Er antwortete in derselben verworrenen Drachensprache, die Laurence kaum verstehen konnte. Dann kletterte Tharkay an ihrem leichten Geschirr hinauf auf ihren Rücken und zeigte Laurence ein paar Halteschlaufen, an denen er sich ebenfalls an Bord ziehen konnte.
    »Wir könnten einige Schwierigkeiten bekommen«, erklärte Tharkay. »Bonapartes Männer sind noch immer an der Küste, aber seine Drachen sind bereits weit ins Landesinnere vorgedrungen. Ich denke, es dürften ungefähr fünfzigtausend sein«, entgegnete er auf Laurence’ Frage hin, um wie viele Männer es sich handelte. »Und mindestens zweihundert Tiere, wenn man den Zahlen glauben will. Das Korps hat sich mit dem Rest der Armee nach Woolwich zurückgezogen. Ich schätze, sie wollen dort auf Bonapartes Erscheinen warten. Warum sie so höflich sind, müssen Sie die Generäle fragen.«
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Laurence. Tharkay war angesichts der Lage ein großes Risiko eingegangen, denn schließlich
befand sich Bonapartes halbe Armee zwischen ihnen und ihren eigenen Truppen. »Dann sind Sie in den Dienst eingetreten?«, fragte er mit einem Blick auf Tharkays Mantel. Der hatte goldene Schulterstreifen, die den Rang eines Kapitäns auswiesen. Es war nicht ungewöhnlich in der Armee, dass einem Mann ein Offizierspatent verliehen wurde, wenn er gebraucht wurde. Im Korps jedoch war das ein eher selteneres Phänomen, denn dort bestimmten die Drachen den Rang der Männer. Da Tharkay aber einer der wenigen war, die sich mit den Wilddrachen aus dem Pamirgebirge verständigen konnten, war es keine große Überraschung, dass das Korps ihn hatte verpflichten wollen. Viel erstaunlicher war indes, dass er eingewilligt hatte.
    »Vorübergehend«, erklärte Tharkay mit einem Schulterzucken.
    »Niemand könnte Ihnen einen Vorwurf daraus machen, wenn Sie nach Belieben aussuchen würden, was Sie machen wollen«, sagte Laurence, der selbst für Galgenhumor zu verbittert war angesichts des stechenden Geruchs der brennenden Stadt, den er in der Nase hatte.
    Tharkay entgegnete: »Es ist leicht, mit den Siegern gemeinsame Sache zu machen.«
    Laurence fragte nicht, warum er geschickt worden war. Die Tatsache, dass fünfzigtausend Mann eingefallen waren, war Antwort genug. Temeraire wurde gebraucht, und Laurence selbst, wie unerwünscht auch immer er sein mochte, musste mit ihm den Dienst versehen. Es war lediglich eine pragmatische und vorübergehende Entscheidung, die ihm keinerlei Hoffnung machen sollte, in persönlicher oder rechtlicher Hinsicht Vergebung zu erlangen. Tharkay setzte das Gespräch nicht fort: Gherni hatte sich bereits in die Luft geschwungen, und die Kraft des Flugwindes wusch alle weiteren Worte fort.
     
    Der Himmel war typisch für einen späten Herbsttag, tiefblau, klar und wolkenlos. Es herrschte bestes Wetter zum Fliegen, und sie waren
kaum eine halbe Stunde in der Luft, als Gherni mit einem Mal abtauchte und zitternd auf einer Lichtung inmitten eines Kiefernwaldes

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