Drachenwacht: Roman (German Edition)
landete. Laurence hatte nichts gesehen, außer vielleicht einige sich bewegende Punkte in der Ferne, die Zugvögel hätten sein können. Aber er und Tharkay suchten sich einen Weg an den Rand des Waldes, und als sie aus den Schatten hinausspähten, sahen sie etwas weiter weg, wie sich zwei Silhouetten vom Boden abstießen und näher kamen. Zwei große, graubraune Drachen glitten mit träger Selbstsicherheit dahin. Sie hatten allen Grund dazu, denn es handelte sich um Grand Chevaliers, die größten der französischen Schwergewichte, nur geringfügig kleiner als die Königskupfer. Sie waren besudelt von vorangegangenen Beutezügen, und bei beiden baumelte etwas in den Bauchnetzen, das wie ein Dutzend erschöpfter Kühe aussah, die hin und wieder müde und verwirrte Klagelaute ausstießen und ohne jeden Erfolg mit den Hufen in der Luft zappelten.
Die beiden Drachen riefen sich fröhliche Bemerkungen zu, die die Besatzung zum Lachen brachten, doch ihr Französisch war zu schnell, als dass Laurence etwas hätte verstehen können. Ihre Schatten eilten wie ziehende Wolken über sie hinweg und blendeten einen Augenblick lang die Sonne aus. Gherni blieb währenddessen reglos unter den Ästen sitzen. Nur ihre Augen bewegten sich und verfolgten den Flug der großen Drachen über ihren Köpfen.
Danach war sie nicht mehr dazu zu bringen, wieder in die Luft zu steigen. Stattdessen drückte sie sich, so tief sie konnte, in den Schutz der Bäume und schlug vor, dass man ihr stattdessen etwas zu fressen bringen solle. Sie würde nicht mehr weiterfliegen, bis es dunkel würde. Dass dann die Fleur-de-Nuits an der Reihe wären auszuschwärmen, wollte Laurence ihr nicht als Argument entgegenhalten, aus Angst, dass sie sich dann weigern würde, überhaupt noch den Weg fortzusetzen. Tharkay zuckte nur die Schultern, widmete sich der Überprüfung seiner Pistolen und brach zu den nahe gelegenen Bauernhäusern auf. »Vielleicht haben die Chevaliers ja nicht das gesamte Vieh verschlungen.«
Es waren jedoch weder Kühe zu sehen noch Schafe oder Menschen, nur ein Haufen unglücklicher Hühner. Geübt ließ Tharkay seinen Falken auf sie los, um eines nach dem anderen zu reißen. Für Gherni würden sie als Abendessen kaum ausreichen, aber wenig war besser als nichts. Dann entdeckte er in einem Stall ein kleines Schwein, das ungerührt im Stroh wühlte und nichts von dem Schicksal ahnte, dem es zuvor entkommen war, noch von dem, das ihm nun bevorstand.
Gherni war nicht wählerisch und auch nicht geduldig genug, darauf zu bestehen, dass das Schweinefleisch gekocht werden möge, und so brieten sie sich nur ihre eigenen Hühner über einem kleinen, gut eingedämmten Feuer, fütterten den Falken mit Bries und wedelten mit den Händen durch den Rauch, um ihn zu verteilen. Ohne Salz hatte das Fleisch wenig Geschmack, aber es füllte ihre Mägen. Sie nagten es bis auf die Knochen ab, vergruben die Überreste tief und wischten sich ihre fettigen Finger am Gras ab.
Und dann blieb ihnen nichts weiter übrig, als darauf zu warten, dass die Sonne unterging. Die Stunden schleppten sich dahin. Es war noch nicht einmal Mittag, und der Boden, auf dem sie saßen, war kalt und hart. Überall häuften sich nasse, verrottende Blätter, und der Wind blies ihnen unablässig die Kälte auf Finger und Füße, die sich festsetzte, wie sehr sie auch umherstampften, um sie wieder zu vertreiben. Aber wenigstens konnte Laurence aufstehen, wenn ihm danach war, zum Waldesrand gehen und spüren, wie ihm der Wind ungehindert ins Gesicht blies. Er konnte den Blick über die friedlichen, gut bestellten Felder und die geraden, braunen Furchen gleiten lassen und die großen, weißen Birken betrachten, die ihre Äste in den makellosen Himmel reckten.
Tharkay trat an seine Seite. Die Art, wie er Laurence ansah oder behandelte, war so wie immer. Er war schweigsam, aber das war er auch zuvor gewesen. Für Laurence bedeutete die Tatsache, dass er nun für einen Augenblick hier stehen konnte, ohne ein Verräter zu sein, eine ebenso große Befreiung wie die Abwesenheit von
Schlössern und verriegelten Türen. Er war nur er selbst, unverändert, in der Gesellschaft eines anderen. Auch früher war er schon mal auf allgemeine Ablehnung gestoßen, ohne dass ihm das unerträglich schmerzhaft vorgekommen war, denn er hatte sich selbst im Recht gewusst. Doch er hatte nicht gewusst, dass es so schwer sein konnte.
Tharkay sagte: »Natürlich könnte ich Sie nie gefunden haben.«
Es war ein
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