Drachenwacht: Roman (German Edition)
angenehmen Nebeneffekt hatte, dass ihnen viel wärmer war. Nach dem ersten unerfreulichen Tag hatten sie zudem gelernt, ihre Notdurftgruben weit entfernt vom Wasser auszuschaufeln. Ihr erster Versuch hatte ein sehr unschönes Ende gefunden, denn fünf der Drachen war schlecht geworden, weil sie so durstig waren, dass sie trotz des Gestanks getrunken hatten. Einige der anderen hatten angefangen, sich zu langweilen, und waren auf eigene Faust aufgebrochen. Bei ihnen allen handelte es sich um Wilddrachen, die nie zuvor gedient hatten. Einige kehrten jedoch zurück, als sie begriffen,
dass es keineswegs leicht war, selbst für Nahrung zu sorgen, was erneut die Frage nach der Versorgung aufwarf.
»Wir könnten uns hier jede Menge Vieh beschaffen, wenn man es mit Laudanum betäubt«, sagte Temeraire, »aber da die Franzosen ebenfalls auf der Suche nach Kühen sind, scheint es mir besser, wenn wir erst ihre Tiere statt der unseren fressen. Sollen sie sich doch die Mühe machen, sie zusammenzutreiben. Auf diese Weise könnten wir Kampf und Nahrungsaufnahme verbinden.«
Alle stimmten zu, dass das nach einer sinnvollen Strategie klang, und Temeraire fühlte sich bestätigt. Er wollte so gerne endlich kämpfen. In ihm rührte sich nun unablässig der ziellose, drängende Wunsch nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung, um die angestaute Wut endlich hinauszulassen. Perscitia und Moncey warfen ihm immer häufiger besorgte Blicke zu. Manchmal fuhr Temeraire erschrocken aus dem Halbschlaf auf und stellte fest, dass er allein war: Die anderen waren ein Stück fortgeflogen und hatten sich dort einen Platz gesucht, wo sie sich zusammenkauern und ihn beobachten konnten.
»Es ist nicht gut, wie er alles in sich hineinfrisst«, sagte Gentius nach einer ihrer Zusammenkünfte mit lauter Stimme, denn er konnte nicht sehen, dass Temeraire nahe genug war, um ihn zu hören. »Ihr anderen Burschen wisst nicht, wie das ist, einen wirklich prächtigen Kapitän zu haben und ihn dann zu verlieren. Es ist viel schlimmer, als wenn einem alle Schätze zugleich gestohlen würden. Das jedenfalls ist der Grund dafür, dass er sich hin und wieder so seltsam benimmt. Er braucht eine richtige Schlacht, ein bisschen Blut.« Und danach verlangte es Temeraire tatsächlich sehr. Das Gefühl, das ihn immer wieder überfiel, in seinem Leben nur Zaungast und nicht Herr über seine Gemütslage zu sein, behagte ihm ganz und gar nicht, und wenn eine Schlacht Abhilfe schaffen könnte, dann war er fast bereit, sich sofort eine Gelegenheit dafür zu suchen.
Aber er hatte die anderen Drachen an seiner Seite. Er konnte sie jetzt nicht sich selbst überlassen oder sie in ein sinnloses Scharmützel
stürzen, selbst wenn es ihm selbst gutgetan hätte. So brütete er stattdessen über Strategien, und wenn das Drängen zu stark wurde, um es auszuhalten, flog er davon, rollte sich ganz fest zusammen, presste seinen Kopf gegen die Flanken, versteckte ihn unter dem dunklen Dach seiner Flügel und murmelte Passagen aus der Principia Mathematica vor sich hin. Laurence hatte ihm so oft daraus vorgelesen, dass er sie auswendig kannte, und wenn er leise sprach und seine Stimme dämpfte, dann konnte er sich beinahe vorstellen, dass er Laurence hörte, der, sicher und geschützt vor dem Regen, sich an ihn geschmiegt hatte und ihm zuflüsterte.
Aber er hätte gar nicht so mit sich ringen müssen, alles für sich zu behalten: Schon am nächsten Morgen kamen Minnow und Reedly so schnell ins Lager zurückgeflogen, dass sie einige Schritte über den Boden holperten, ehe sie zum Stehen kamen. Sie brachten Neuigkeiten mit: »Schweine«, keuchte Reedly, »ganz viele, ein ganzes Gatter voll, hinter ihrer Armeelinie, und einige davon sind so groß wie Ponys.«
»Schweine«, sagte Gentius versonnen und blinzelte. »Schweine bedeuten gute Verpflegung, in jeder Hinsicht.«
»Schweine sind leicht zu halten«, bekräftigte Lloyd. »Wir treiben sie in den Wald, wo sie sich selbst ihre Nahrung suchen. Die Drachen können sich dann selbst eines holen, wenn sie hungrig sind, oder sie zusammentreiben, wenn wir weiterziehen.«
»Und dann sind da noch einige alte Chevaliers, die sie bewachen«, fuhr Minnow fort. »Sie sind groß, aber träge, und als wir sie entdeckten, haben sie tief geschlafen.«
»Sehr gut«, sagte Temeraire und versuchte, ernst und gelassen zu klingen, obwohl sein Schwanz alles andere als würdevoll auf den Boden hämmerte. »Lloyd, Sie und Ihre Männer werden mit Moncey
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