Drachenwacht: Roman (German Edition)
Herde von halbwegs akzeptabler Größe besaßen, und in jedem Ort mit einer Lichtung, die groß genug für einen Kurierdrachen war. Aber sie erfuhren keine Neuigkeiten, jedenfalls keine, die sie gerne hören wollten. »Ich habe zwanzig meiner Schafe verloren, aber nicht an irgendeinen Drachen, sondern an die Franzosen, zur Hölle mit ihnen«, schimpfte ein erboster Hirte.
»Sind sie schon so nahe?«, fragte Laurence verzweifelt. Sie befanden sich westlich von London, viel zu weit im Landesinneren, als dass er damit gerechnet hätte, hier auch nur auf kleinere Einheiten der Franzosen zu stoßen.
Der Mann spuckte aus. »Sind gestern hier durchgezogen, diese plündernden Halunken. Ich bitte um Verzeihung, Sir, aber da würde selbst ein Heiliger ins Fluchen geraten. Drei meiner besten Mutterschafe befinden sich jetzt in ihren Bäuchen, und ein Zuchthengst, und alles, weil mein nichtsnutziger Junge sie nicht mehr rechtzeitig in die Hügel getrieben hat. Aber wer konnte auch ahnen, dass sie schon so bald bis hierher vorrücken würden?«
Der Bürgermeister von Twickenham bestätigte die Anwesenheit der Franzosen. »Wir haben aus Richmond gehört, dass sie dort eingefallen sind«, sagte er. »Auf den Rücken ihrer Drachen, und sie haben sich auf Beutezüge durch die ganze Gegend begeben. Unsere Männer sind aufgebrochen, um sich ihnen nördlich von hier entgegenzustellen, und rund um Richmond haben sie eine Miliz aufgestellt. Sie haben auch einige Drachen bei sich, Sir. Ein Kurierdrache kam zu uns, um unsere Jungen abzuholen, da sie bislang noch keine Anweisungen bekommen hatten, was zu tun sei. Von irgendwelchen frei herumziehenden Drachen habe ich nichts gehört. Aber wir werden unser Vieh vorsichtshalber in den Stall holen, da können Sie sicher sein.«
Er war sehr freundlich und bewirtete sie zum Abendbrot, wischte jedoch Hollins Angebot, dafür zu zahlen, mit einer Handbewegung fort. Allerdings nahm er das Geld an, als es um die Ziege ging, die an Elsie verfüttert wurde. Die Ehefrau des Bürgermeisters und seine älteste Tochter, die schon einige Jahre dem Klassenzimmer entwachsen war, aßen mit ihnen zusammen, und ab und zu erinnerte sich Laurence so weit an seine guten Manieren, dass er ein wenig Konversation machte. Aber letztlich war er zu bedrückt, als dass er eine angenehme Gesellschaft gewesen wäre. Diese frischen Nachrichten bedeuteten, dass sie sofort zurückkehren mussten; die Generäle
mussten unbedingt erfahren, dass die Franzosen bereits so weit vorgestoßen waren.
»Ich hörte, es seien zwei Adlerstandarten dabei«, wagte die junge Frau zu bemerken. »Bevor Georgie loszog, hat er erzählt, dass die Jungen aus Ham zwei gesehen hätten.«
Das war schlecht, sehr schlecht. Zwei französische Regimenter – und das so weit von Napoleons Armee entfernt – bedeutete vermutlich, dass sich ein Marschall in der Nähe befand. Selbst die schlechtesten der Marschälle waren auch allein fähige Männer; wenn sie jedoch als Handlanger ihres Oberbefehlshabers agierten, waren sie so gefährlich wie Schlangen. Hier im Westen Englands gab es keine strategischen Vorteile zu erlangen, wohl aber einen großen Vorrat an Proviant. Lebensmittel, die dafür sorgen konnten, dass die französischen Drachen in der Luft blieben. »Hatten sie Kavallerie dabei?« , fragte er unvermittelt und hob den Kopf. »Ich bitte um Verzeihung«, fügte er hinzu, denn erst jetzt fiel ihm auf, dass er in das Gespräch geplatzt war, welches sich auch ohne ihn weitergesponnen hatte. Hollin und die junge Dame hatten sich über die Orte unterhalten, die er entlang seiner Route zu sehen bekommen hatte.
»Oh, es tut mir so leid, Sir, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass Georgie das erwähnt hätte«, sagte sie, erschrocken darüber, dass er das Wort an sie gerichtet hatte.
»Ich glaube nicht, Kapitän«, fiel der Bürgermeister ein. »Sie kamen jedenfalls zu Fuß zu uns.«
Laurence wusste nicht, wie er es zu deuten hatte, dass Napoleon anscheinend voll und ganz auf seine Luftstreitkräfte setzte. Es missachtete alle Erkenntnisse der modernen Kriegsführung, die besagte, dass eine gut organisierte Streitmacht aus Kavallerie und Infanterie gemeinsam, unterstützt durch Schrapnellkanonen und Artillerie, praktisch jeden Drachenangriff niederschlagen konnte. Aber niemand hatte je von einem Drachenangriff mit mehr als fünfzig Drachen gehört, ehe Napoleon im Jahre fünf den ersten Versuch unternommen hatte, den Kanal zu überqueren.
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