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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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brachte ihn zum Schweigen. Sicherlich band Temeraire keine Pflicht, ebenso wenig wie die anderen Drachen, die nie aufgefordert worden waren, einen Schwur zu leisten, und die auch keine Entlohnung für den Dienst erhalten hatten. Was seine eigene Pflicht anging, war er sich weniger sicher. Wenn man ihm befahl zu bleiben, um auf dem Feld zu dienen oder weil sie die Todesstrafe an ihm vollstrecken wollten, dann konnte es für ihn keine Alternative geben. Aber er fürchtete, dass der Dienst, den man von ihm erwartete, der war, Temeraire zum Bleiben zu überreden – gegen den eigenen Willen des Drachen, wenn nötig.
    Man brachte ihn wieder zum selben Zelt wie damals, das inzwischen jedoch stark verändert aussah: Kartentische bedeckten den Hauptteil des Bodens, und die Papiere darauf waren weit ausgerollt und voller Markierungen und Zahlen. In einem angefügten Hinterraum stritt man sich fortwährend mit leiser Stimme, und durch einen gerade erst fertiggestellten Durchbruch waren jammernde und ängstliche Stimmen zu hören. Nur bei wenigen war ein Anflug von Entschlossenheit auszumachen. Laurence konnte vernehmen, wie sich Janes Stimme klar und durchdringend über alle anderen erhob. Er stand reglos da und versuchte, nicht zu lauschen.
    Eine Gruppe junger, schlanker Offiziere mit ernsten Mienen stand über die Tische gebeugt; die Männer warfen Laurence Blicke voll kalter Verachtung zu und schenkten ihm dann keine weitere Aufmerksamkeit. Nach einiger Zeit trat ein Oberst durch die Planen und sagte mit eisiger Stimme zu Laurence: »Ich soll Ihnen ausrichten,
dass Sie begnadigt werden, wenn Sie die Drachen zum Kampf bewegen können.«
    Es war offenkundig, dass es ihm zuwider war, diese Botschaft zu überbringen. »Eine verdammte Schande«, murmelte einer der jungen Männer in der Ecke, ohne aufzusehen.
    »Bringt mir in der Stunde vor der Schlacht sechzig Drachen, und ich verzeihe Hochverrat und selbst Mord«, sagte Wellesley, der ebenfalls aus dem Hinterraum trat. »Ich weiß nicht, was für ein verderbenbringendes Genie Sie sind, Laurence, aber wenn man Sie auf Bonaparte und nicht auf uns loslassen kann, dann ist es das wert, dass man Sie nicht hängt. Können Sie dafür sorgen, dass die Tiere Ihnen gehorchen?«
    »Sir«, begann Laurence, »ich habe Ihnen keine Drachen gebracht. Man sollte eher sagen, die Drachen haben mich hierhergeschafft. Sie hören nicht auf mich, sondern auf Temeraire …«
    »Und diese Kreatur tut, was Sie sagen, und das reicht mir«, unterbrach ihn Wellesley. »Ich bin nicht in der Verfassung, um mich über Spitzfindigkeiten zu streiten. Tun Sie Ihre verdammte Pflicht, oder ich werde Sie höchstpersönlich aufknüpfen, ehe ich aufbreche und mich selbst auf dem Feld niederschießen lasse.« Er riss ein Blatt Papier vom Tisch, kritzelte ein paar eilige Zeilen darauf, die man beinahe beliebig hätte deuten können, und drückte sie Laurence in die Hand.
    Laurence schaute auf das Papier hinunter, das Leben, Freiheit und Pflicht zugleich für ihn bedeutete, und beinahe war er Wellesley dankbar für seine Bestechungsversuche und Drohungen. Sie waren rundum verwerflich und machten es ihm damit leichter, das Kommando abzulehnen.
    »Sie müssen mir vergeben, Sir«, sagte er. »Ich kann Ihnen die gewünschten Versprechungen nicht machen. Es steht nicht in meiner Macht, Ihrem Willen zu entsprechen. Wenn Sie sich an den Anführer der Drachenmiliz wenden wollen, so ist das Temeraire selbst. Und er wird nicht gehorchen, ebenso wenig wie die anderen Tiere, wenn er nicht zuvor zur Beratung hinzugezogen wurde.«
    »Um Gottes willen, Bonaparte steht auf unserer Türschwelle«, sagte Wellesley. »Glauben Sie, wir haben Zeit, eine Meile durchs Lager zu springen, um uns nicht nur um unsere Männer zu kümmern, sondern neuerdings auch noch Drachen zu hätscheln?«
    »Er will nicht gehätschelt werden, Sir«, sagte Laurence ruhig, »sondern er verlangt lediglich nach jenen Informationen, die sie jedem anderen später eingetroffenen Befehlshaber einer zahlenmäßig starken Milizeinheit in aller Selbstverständlichkeit zukommen lassen würden, wenn dieser noch nichts über Ihren Angriffsplan weiß. Er ist nur allzu gerne bereit, zu Ihnen zu kommen, wenn man hier etwas Platz für ihn schafft und die Pferde wegen ihres natürlichen Fluchtinstinktes anbindet.«
    Wellesley schnaubte: »Angriffsplan? Da kann er gar nicht weniger wissen als irgendein lebender Mensch sonst. Rowley«, knurrte er und wandte sich ruckartig einem

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