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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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einziehen.
    »Nun, ist das Tier da?«, fragte Wellesley, als er aus dem Zelt trat, stehen blieb, emporschaute, weiter und weiter, und dann nichts mehr sagte. Einige Juwelen mehr oder weniger fielen vermutlich nicht ins Gewicht, begriff Laurence, wenn man noch nie zuvor einen Drachen dieser Größe gesehen hatte. Als ein Armeeoffizier war Wellesley vermutlich nie einem Tier über Kuriergewicht begegnet; ein Seemann hätte immerhin schon einmal auf einem Drachentransporter gedient haben können.
    »Ich bin Oberst Temeraire, zu Diensten«, sagte Temeraire und spähte interessiert nach unten.
    »Tatsächlich, ja?«, fragte Wellesley nach einem weiteren Moment, als er wieder Herr seiner Stimme war. »Auf jeden Fall werden Sie einige zum Schweigen bringen. Rowley, gehen Sie rein und sagen Sie diesen Burschen, Sie sollen herauskommen, damit wir uns mit unserem neuen Oberst besprechen können.«
    Ein Mann kam aus dem Zelt geeilt: kein Militäroffizier, sondern ein Gentleman in einem ordentlichen, schlichten Anzug in dunklem Braun. »General, wenn Sie bitte verzeihen … Das Ministerium befürchtet, dass dies ein Präzedenzfall werden könnte… Wenn ich kurz etwas sagen dürfte…« Er hatte Temeraire noch nicht richtig zur Kenntnis genommen. Während er sprach, flackerten seine Blicke einige Male zur Seite und nach oben; flüchtig nahm er die schwarzen Schuppen wahr, das glatte Horn der Krallen – Eindrücke, die er, während er seinen Satz zu formulieren suchte, zu einem Ganzen zusammenfügte, bis er schließlich den Kopf hob, um genauer hinzusehen; und schlagartig verstummte er.
    »Nein, dürfen Sie nicht«, sagte Wellesley zufrieden, sah ihn schlucken und drückte ihn, keine Gegenwehr duldend, auf einen Faltstuhl. »Setzen Sie sich, Giles. Rowley, gehen Sie und sagen Sie dem Rest, er soll ebenfalls herauskommen.«
    »Ich bitte um Entschuldigung«, wandte sich Temeraire an den armen Mann, der heftig zu zittern begann, als der Drachenkopf sich senkte und näher kam. »Aber wenn Sie ein Mann des Ministeriums sind, dann würde ich gerne selber kurz etwas sagen. Wir möchten bitte gerne wählen und auch bezahlt werden.«
    Die Berufssoldaten ließen sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, und Jane zerstörte einen Großteil der erhofften Wirkung, als sie herauskam und zu Temeraire sagte: »Warum bist du denn behängt wie ein Weihnachtsbaum? Wir sind im Krieg und nicht im Varieté von Vauxhall.«
    »Ich habe meine besten Stücke angelegt, um meine Ehrerbietung zu erweisen«, erklärte Temeraire verletzt.
    »Um anzugeben, meinst du wohl«, sagte Jane, und die Tatsache,
dass diese Form der Unterhaltung nicht damit endete, dass sie gefressen oder zumindest zerquetscht wurde, machte die anderen etwas mutiger. Mutiger jedenfalls, als es Wellesley lieb war. Er hatte offensichtlich vorgehabt, seine eigenen Vorschläge durchzubringen, indem er jeden Widerstand durch Einschüchterung im Keim erstickte. Es war ihm in Wahrheit überhaupt nicht darum gegangen, Temeraires Meinung zu erfahren.
    Welcher Bedrohung sie sich gegenübersahen, stand nicht länger in Frage. Späher und Gerüchte auf der Straße hatten sie längst über alles informiert. Die Fleur-de-Nuits würden in mindestens zwei Formationen angreifen, vermutlich mitten in der Nacht, und würden sie ohne Unterlass bis zum Morgengrauen bombardieren, wenn dann die zusammengezogenen französischen Linien vorrücken und angreifen würden, um sie aus ihren jetzigen Stellungen zu vertreiben. Diese Stellung war in der Tat beneidenswert: Die Generäle hatten sich vor allem deshalb von der Küste zurückgezogen, um in der angenehmen Lage zu sein, selbst das nächste Schlachtfeld zu wählen. Dass Napoleon versuchen würde, London einzunehmen, war nie in Zweifel gezogen worden. Er hatte Wien erobert, obgleich diese Stadt wenig strategischen Vorteil bot, und war durch Berlin marschiert, nur um den moralischen Wert dieser Siege auszukosten. Die persönliche, nicht die militärische Befriedigung bestand darin, die Paläste der Feinde zu vereinnahmen und zu spüren, dass sie jetzt ihm gehörten. Und London verfügte über viele Banken. Gold und Silber waren dort zu finden, mit dem er seine Invasion anfeuern konnte, und es bot sich ihm die Chance, den Süden des Landes vom Norden abzuteilen, wobei die Themse eine lebenswichtige Ader wäre, die ihn mit frischem Blut von der Küste versorgen würde.
    Und so hatte sich die englische Armee am südlichen Themse-Ufer zwischen Woolwich und Oxleas

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