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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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entfernt aufgestellt sind«, sagte Temeraire.
    »Einige Runden gegen Lefèbvres Nachhut gewonnen, und schon wollen Sie uns in unsere Angelegenheiten hineinreden«, fuhr Dalrymple Laurence an. »Bei Gott, ich hätte gute Lust … Verdammt noch mal, Sie werden unsere Befehle befolgen; Sie werden tun, was man Ihnen sagt, und dankbar für diese Chance sein …«
    »Wenn ich getan hätte, was man mir gesagt hat«, knurrte Temeraire, »dann hätten Sie jetzt sechzig Drachen weniger und Lefèbvre viel mehr Nahrungsmittel, und vermutlich würde Napoleon Sie morgen mühelos besiegen. Was reden Sie denn da bloß für einen Unsinn? Warum sollte ich tun, was man mir sagt?«
    »Wenn nicht, dann werden wir Ihren Kapitän aufknüpfen…«, setzte der streitlustige Offizier an. Jane rief warnend »Maclaine!«, doch es war zu spät. In Temeraires Kehle löste sich ein tiefes Grollen, und er senkte den Kopf mit aufgestellter Halskrause.
    Für eine kurze Zeit war er für sie vielleicht nur eine weitere Stimme in ihren Überlegungen gewesen, wenn auch eine sonderbare, volltönende, die aus großer Höhe sprach. Doch die Verachtung, die mit diesem bisschen Vertraulichkeit einhergegangen war, verschwand augenblicklich angesichts des großen, glänzenden Kopfes, der sich nun zu ihnen hinabsenkte, mit Augen, die fünfzehn Zentimeter breit waren und deren gelbe Schlitze wie Laternen leuchteten, und einem Kiefer voller sägeartiger Zähne, von denen der kleinste immer noch die Größe einer Männerhand hatte. Dies war eine zu greifbare Erinnerung daran, dass sie sich in der Gegenwart einer Kreatur befanden, die ihnen allen mit nur einem einzigen Streich mühelos den Garaus machen konnte. Laurence selbst konnte Temeraire nie so richtig als Bedrohung sehen, denn er hatte den Drachen vom Schlüpfling bis
zur Geschlechtsreife aufgezogen und erinnerte sich noch gut an ihn, als er kaum größer als ein Hund gewesen war.
    »Laurence mag Ihnen Eide geschworen haben und Ihnen Pflichterfüllung schulden, und er würde sogar zulassen, dass Sie ihn hängen, auch wenn ich nicht verstehe, warum«, sagte Temeraire einen Augenblick später leise und zornig. »Und ich kann ihn nicht gegen seinen Willen dazu bringen, mit mir mitzukommen, denn das wäre ebenfalls falsch. Aber ich lasse nicht zu, dass er noch einmal von mir getrennt wird, und wenn Sie ihn tatsächlich hängen wollen, dann werde ich meine Freunde nehmen und wegfliegen. Aber nicht zurück nach China. Ich werde mich Napoleon anschließen und ihm mitteilen, dass er mein Gebiet haben kann, wenn er Sie nur alle vernichtet. Und ich werde ihm alle Hilfe geben, um die er mich ersucht. Und nun drohen Sie mir bitte noch einmal, wenn Sie wollen.«
    Niedergeschlagen und hilflos stand Laurence dort. Er hätte es sich denken können. Lien hatte das Gleiche nach dem Tod ihre s Begleiters getan, Prinz Yongxing. Sie hatte sich freiwillig in Bonapartes Hände begeben, obwohl sie damals nur Verachtung für ihn und die gesamte westliche Welt übrig gehabt hatte und wenngleich Napoleon, Herr über Europa, sich eines Tages gegen ihre eigene Nation wenden könnte. Jedes Gefühl von Loyalität, das Temeraire England gegenüber entwickelt haben mochte, und wie viel auch immer einer solchen Gesinnung Laurence ihm eingepflanzt hatte – das alles war gründlich zerstört worden, als die Admiralität den Plan fasste, alle westlichen Drachen krank zu machen und zu töten und das Heilmittel nur für die englischen Drachen zu reservieren. Die spätere Einkerkerung und das Todesurteil gegen Laurence, mit dem er wie mit einem drohenden Knüppel gefügig gemacht werden sollte, hatten Temeraire den Rest gegeben. Und nun war der Bogen überspannt worden.
    Die Vorstellung, seine Exekution würde Temeraire nicht die Freiheit verschaffen, nach China zurückzukehren, sondern ihn in einen erbitterten Feind gegen England verwandeln, war eine neuerliche
Qual für Laurence. Er hatte keinen Zweifel, wie schnell eine solche Drohung nur dazu führte, dass die Generäle ihn und alle Drachen umso mehr verachteten und es als seinen eigenen Plan ansehen würden, durch Erpressung seinen Hals zu retten. Vielleicht würden sie beschließen, Temeraire nicht noch einmal zu provozieren, während Napoleon seine Männer auf englischem Boden hatte, was, wie er aus tiefstem Herzen hoffte, nur ein vorübergehender Zustand war, aber dann …
    Anders als Dalrymple schätzte Laurence Temeraires Erfolge keineswegs gering: Ohne Erfahrung oder ohne auf diese

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