Drachenwacht: Roman (German Edition)
Aufgabe vorbereitet worden zu sein, hatte er sechzig faule, gut gefütterte Drachen dazu gebracht, mit ihm in den Krieg zu ziehen, und bislang hatte er bereits zwei Siege gegen die französische Armee verbucht. Dass Lefèbvre nicht der beste Marschall war, dass er keine große Zahl an Drachen dabeihatte und dass Temeraire nur mit kleinen Einheiten angegriffen hatte, bedeutete wenig im Vergleich zu dem viel größeren Erfolg, dass es ihm gelungen war, seine Streitkräfte beisammenzuhalten und zu versorgen. Aber diese Männer würden so kurzsichtig sein, sich glücklich zu schätzen, Temeraire und jeden anderen Drachen losgeworden zu sein, der widerspenstig genug war, ihm zu folgen. Und falls nicht, würden sie nicht zögern, dies umso mehr als Grund anzusehen, einen niederträchtigen Mordplan gegen ihn auszuhecken.
»Temeraire«, wagte er einen leisen Vorstoß in die quälende Stille hinein, »Temeraire, so etwas darfst du nicht sagen. Du bist jetzt ein diensthabender Offizier, und dies sind deine Vorgesetzten. Du darfst keine Drohungen ausstoßen oder sie angrollen, wenn dir die Befehle nicht gefallen. Du musst deine Bemerkungen zurückziehen.«
»Ich habe nicht wegen der Befehle gegrollt«, sagte Temeraire einen Augenblick später, noch immer leise und zornig, hob jedoch seinen Kopf ein wenig, und bei allen im Umkreis stehenden Männern konnte man sehen, wie sich bei jedem die Brust hob, als sie endlich weiteratmeten.
»Ich habe nicht wegen der Befehle gegrollt, und das werde ich auch
nie tun, gleichgültig, wie dumm sie sind. Aber wenn jemals wieder jemand versuchen sollte, dich mir wegzunehmen und zu hängen – dann werde ich den angrollen und ihm noch Schlimmeres antun, und es ist sinnlos, mir zu sagen, dass ich das nicht darf.«
»Wie zu erwarten war…«, setzte Maclaine ein wenig gedämpfter an, wurde jedoch sofort von Wellesley unterbrochen.
»Verdammt noch mal, Maclaine, hören Sie auf, auf den Bären einzuschlagen, damit er tanzt.« Wellesley nutzte die Gelegenheit und wandte sich an die Übrigen, die noch immer schwiegen und erschüttert aussahen. »Das ist alles Unsinn. Ich glaube nicht einen Augenblick, dass Bonaparte auch nur mit einem Mann weniger als seiner gesamten Armee gelandet ist, was für phantastische Geschichten auch immer die Späher berichten. Wir können vierzigtausend Mann nach Weedon schaffen, mitsamt Kanonen und Proviant, und wenn wir Bonaparte eine seiner heiß ersehnten Schlachten liefern und auch nur ein einziger unserer Soldaten fehlt, dann sind wir ein Haufen Dummköpfe.«
»Was schlagen Sie also vor?«, fragte Dalrymple bissig. »Einen Schritt beiseitezumachen und ihn freundlich nach London hereinzuwinken?«
»London ist vor drei Tagen verloren worden«, erwiderte Wellesley, »wenn nicht schon vor zwei Wochen, als man Nelson mit zwanzig Schiffen nach Kopenhagen geschickt und Bonaparte seine Chance gewittert hat. Je eher wir das schlucken, umso besser. Schicken Sie unverzüglich, heute Nacht noch, Ihre Männer auf die Straße. Sie haben lange genug hier herumgelegen und nichts zu tun gehabt, als eine Woche lang zu trinken, zu spielen und herumzuhuren. Da können sie auch mal auf ein bisschen Schlaf verzichten …«
Eben war die Atmosphäre noch angespannt gewesen, jetzt aber erhob sich ein Protestgeschrei von Vorwürfen, man würde schwarzsehen und die Flinte ins Korn werfen. Wellesley hob die Stimme und fuhr fort: »Munition, Männer und Tiere zu verschwenden, um eine verlorene Stellung zu verteidigen – wir alle sollten als Verräter gehängt
werden, wenn wir das täten. Nach Schottland … Nach Schottland und in die Berge, verdammt noch mal. Er kann nicht das Land halten und gleichzeitig den Kanal bewachen. Überlassen Sie ihm England für einen Monat. Soll er Männer und Drachen dafür verwenden, es zu halten, und marschieren Sie nach Loch Laggan. Bis Weihnachten haben wir hunderttausend Männer beisammen und können ihn dann angreifen, wann wir es wollen, nicht wann Bonaparte es will…«
»Und lassen ihn in der Zwischenzeit London schröpfen und das Land zugrunde richten …«, rief einer der Umstehenden.
»Schickt Männer nach London, die die Händler und die Bankbesitzer warnen. Sie sollen mit allem, was sie tragen können, die Stadt verlassen«, entgegnete Wellesley. »Die Hälfte von ihnen ist ohnehin bereits nach Edinburgh geflohen, dem König nach. Lassen Sie auch den Rest folgen.«
»Weil sie das lieber wollen«, sagte jemand, »als zu bleiben und
Weitere Kostenlose Bücher