Drachenwacht: Roman (German Edition)
hatte Roland ihr Kinn vorgereckt und lediglich geantwortet: »Ich würde es vorziehen, wenn ich bleiben könnte, Sir.« Sie schüttelte den Kopf, als er sie fragte, ob sie Signalfähnrich gewesen sei. »Fünfter Ausguck, Sir. Ich werde ganz sicher nicht vermisst.«
Natürlich musste sich Emily keine Sorgen über die Zukunft machen, die weitgehend vorbestimmt war. Sie würde nach der Pensionierung ihrer Mutter Excidium erben, und eine Beförderung wäre ihr sicher. Blythe und Fellowes hatten gute Positionen bei der Bodenmannschaft und konnten immer sicher sein, auch etwas anderes zu finden. Allen jedoch …
»Nein, Sir«, sagte Allen und stolperte über seine Worte. »Sie haben mir nie mehr einen Platz an Bord gegeben. Ich hatte immer nur Schreibtischaufgaben, also habe ich nichts zu verlieren.«
Traurig dachte Laurence bei sich, dass dies auf jeden Fall ein besserer Ort für ihn gewesen war: Allen war hoffnungslos ungeschickt und hatte mehr als einmal beinahe selbst sein Ende herbeigeführt. Laurence wollte jedoch niemanden hinter den Reihen zurückhalten, der sich wünschte, ein Teil davon zu sein.
Mühsam erhoben sie sich nun von ihren engen, kalten Schlafplätzen, die kaum mehr als einige Äste waren, welche neben Temeraire
ausgebreitet worden waren, damit sie nicht auf dem nassen Boden liegen mussten. Laurence reichte ihnen eine Hand, um sie auf Temeraires Rücken zu ziehen, wo früher viele Dutzend Männer gesessen hatten.
»Ich komme auch mit«, sagte eine andere Stimme mit schwerem Akzent. Laurence drehte sich um und bemerkte Demane, der bereits neben ihm stand, weil er an der anderen Seite emporgeklettert war. Der Junge war bis an die Zähne bewaffnet: Er trug zwei Kurzschwerter, zwei Pistolen, zwei Messer, alle mit nicht zueinander passenden Heften, und einen kleinen Sack mit Bomben, den er sich über die Schulter geworfen hatte. Ohne auf eine Erlaubnis zu warten, band er diesen nun an die wenigen Geschirrriemen. »Nein, Sie sitzen hier«, teilte er Allen mit und wies auf eine Stelle weiter hinten auf Temeraires Schulter, wo die Ausgucke zu sitzen hatten. Er wirkte so bestimmt, dass Allen schüchtern gehorchte, obwohl er drei Jahre älter und dreißig Zentimeter größer als der Junge war.
»Sind Sie nicht Arkady zugewiesen?«, fragte Laurence. »Wir gehören zu Ihrer Mannschaft«, antwortete der Junge, und meinte damit sich und Sipho, den Laurence nun auf der Lichtung erspähte, wo er Fellowes und Blythe dabei zur Hand ging, ihren mageren Vorrat an Werkzeugen zu ordnen. Sie würden abwarten, ob Temeraire vielleicht zurückkommen würde, damit sie irgendetwas richteten. »Wir beide, zusammen. Wie Sie gesagt haben.«
»Das ist richtig«, bekräftigte Temeraire und sah sich um. »Und ich bin mir sicher, dass Arkady ihn nicht braucht. Er durfte ja letzte Nacht schon kämpfen«, fügte er verstimmt hinzu. »Deshalb wird er jetzt ausschlafen, und ich wage zu behaupten, dass wir bereits gesiegt haben, wenn er das nächste Mal die Augen aufmacht.«
Also waren sie zu viert an Bord, wo dreißig normal und Hunderte machbar gewesen wären. Sie alle waren an einem einzigen, dicken Riemen festgehakt. Dieser führte um Temeraires Hals und wurde von Sicherheitsgurten ergänzt, die über beide Schultern gebunden waren, damit sie nicht ins Rutschen gerieten. Als sie alle ihre Karabinerhaken
eingeklinkt hatten, richtete sich Temeraire auf, und nun konnte Laurence über die Bäume hinwegsehen. Eine Wolke französischer Drachen näherte sich wie ein Bienenschwarm, der entlang der Straße hin und her surrte und eine große Anzahl Männer und Kanonen absetzte.
Dieses Manöver hatte Laurence schon zuvor bei der Schlacht von Jena kennengelernt, und er war erleichtert zu sehen, dass die englische Armee nicht untätig abwartete. Hastig wurden die Kanonen bereit gemacht, um auf die französischen Stellungen zu schießen, ehe diese befestigt werden konnten. Jedoch kamen die Geschütze nur langsam voran, und die Männer kämpften damit, sie durch den Schlamm vorwärtszuziehen. Und schon antworteten die Franzosen mit aller Macht.
»Sie fangen ohne uns an«, rief Temeraire, und sein Brüllen schreckte sofort alle anderen Drachen auf. »Der Feind ist da, seid ihr alle bereit?«, fragte er.
»Nein, warte, ich habe eine Idee«, unterbrach ihn der blaugraue weibliche Drache, der Perscitia genannt wurde, und flatterte davon. Einen Augenblick später kehrte sie zurück und hielt etwas in den Klauen, das sie vor Temeraire auf den
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