Drachenwacht: Roman (German Edition)
Feld lauschen mussten. Männer erwachten unter Schreien, wann immer eine größere Welle gegen das felsige Ufer brandete.
Am nächsten Tag hatten sie ohne weitere Befehle mit der schweren Aufgabe begonnen, die Gefallenen wegzuschaffen. Temeraire und seine Kohorte hatten sich um die Drachen gekümmert. Nicht alle waren tot. Viele waren zwar noch am Leben, lagen jedoch verletzt am Boden und verbluteten langsam; die Augen waren schon glasig, und sie waren umgeben von den Leichen ihrer Besatzung. Manche ließen sich mit Nasenstübern und viel Hilfe auf die Beine bringen, um über das Feld zu der Lichtung der Ärzte zu humpeln, anderen, schwerer verwundeten Drachen konnte man nur noch zu einem gnädigen Ende verhelfen. Auch einige Flieger hatten überlebt, wenn die schlimmsten Auswirkungen des Aufpralls vom Körper ihres Drachen abgefedert worden waren, und sie mussten zu den anderen Gefangenen gebracht werden.
Chalcedonys Körper lag auf einem grünen Hügel ausgestreckt wie ein weißgelber Riss in der Landschaft. Er wirkte unverletzt, bis sie ihn umdrehten und die Überreste seines zerschmetterten Brustkorbes sahen. Die Gelben Schnitter schoben ihre Schultern unter ihn und hoben ihn gemeinsam an, um ihn vom Feld zu tragen.
»Aber wohin sollen wir ihn bringen?«, fragte Gladius niedergeschlagen.
»Wir fliegen ihn zu den alten Quarantäne-Gebieten in der Nähe von Dover, wo die kranken Drachen begraben wurden«, antwortete Temeraire.
Sie hatten Chalcedony und ihre anderen toten Drachen in eines der großen Gräber im Tal des Quarantäne-Gebiets zur letzten Ruhe
gebettet. Grüne Spitzen hatten sich trotzig durch die weiche Schneedecke geschoben, und die Erde roch feucht, als die Drachen sie aufwühlten, um den Hügel anzulegen.
Mehr aus Gewohnheit als aus einer bewussten Entscheidung heraus waren sie nach Dover geflogen, um dort nach Nahrung zu suchen, aber diese Gewohnheit erwies sich als einträglich. Auch viele Drachen des Korps waren zu ihren eigenen Lichtungen zurückgekehrt, und die Bodenmannschaften und Hirten brachten jetzt alles an Vieh heran, was zu finden gewesen war, und verteilten es. Eine Woche später tauchte Lloyd, der Wärter aus dem alten Zuchtgehege in Wales, bei Temeraires Pavillon auf und zog eine Reihe Kühe hinter sich her. Er sah heruntergekommen aus, trottete aber immer weiter und war zu sehr auf seine Marschroute fixiert, als dass er sie hätte ändern können.
»Nun, Lloyd«, begann Temeraire, »woher haben Sie denn diese Kühe?« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern begann augenblicklich zu fressen.
»Die Ställe in London«, sagte Lloyd und nahm dankbar eine Tasse Tee entgegen, auch wenn er zunächst Ausschau nach einem Becher Rum gehalten hatte. »Nun ja, und sie gehören in erster Linie ja wohl uns«, fügte er ein wenig selbstgefällig hinzu, sodass man die Herkunft vielleicht doch nicht allzu sehr in Frage stellen sollte.
Die Drachen aus Dover kamen immer wieder und schauten sich sehnsüchtig den Fortgang der Arbeit an. »Ich verstehe nicht, warum wir nicht auch einen Pavillon auf dem Stützpunkt haben können«, knurrte Maximus unzufrieden. »Schließlich hat Iskierka einen hier.«
»Habe ich einige tausend Pfund übrig, um dir einen Tempel zu bauen?«, fragte Berkley. »Unsinn, diese ständigen Klagen. Du hast dein ganzes Leben draußen geschlafen, und es hat dir nie geschadet.« Aber kurze Zeit später hatte es unter den Offizieren eine Sammlung gegeben, und ein freundschaftlicher Wettlauf begann unter den Drachen, wessen Pavillon zuerst fertiggestellt werden würde.
Durch solche Besucher hatte Laurence auch Nachrichten aus London
erhalten, unter anderem eine Neuigkeit, die man unvermeidlich erfahren musste: Der König hatte sich nach Kensington zurückgezogen und den Prinzen von Wales als Regenten eingesetzt. Bonaparte war erfolgreich nach Paris entkommen, allerdings wie ein Hund mit eingekniffenem Schwanz. Die Zeitungen waren voller patriotischer Leidenschaft und Trauer um Lord Nelson und die getöteten Seemänner, die als Märtyrer ihrer Nation bezeichnet wurden.
In dieser ganzen Zeit hatte niemand Laurence und Temeraire am Kommen und Gehen gehindert oder offiziell von ihnen Notiz genommen, aber Laurence wusste, dass dies nur ein vorübergehender Zustand war. Es mochte einfach noch einige Zeit dauern, bis die Mühlen der Regierung wieder zu mahlen beginnen würden, nach all diesen Störungen und Aufregungen, aber unausweichlich würde der Augenblick für sie kommen:
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