Drachenwege
als die Männer auf den Schuppen des Wachwhers zugingen.
»Dieses Camp gehört zu Telgar - aber D'gan lässt nicht nach jungen Talenten suchen«, sagte M'tal nach einer Weile. »Ich finde, wir sollten unsere Entdeckung vorerst für uns behalten.«
»Du hast Recht«, erwiderte J'lantir.
»Ah, man erwartet uns bereits«, rief M'tal und lachte fröhlich. »Gaminth erzählt mir, dass Kisk neugierig auf Jolanth ist und gern nach draußen kommen möchte.«
»Tja, jedenfalls wissen wir jetzt, dass Kisk sich mit Drachen verständigen kann«, meinte J'lantir vergnügt.
»Ich habe Lolanth angewiesen, dem Wachwher zu antworten.«
Die beiden Drachenreiter zogen den Kopf ein und traten durch die niedrige Stalltür. Von diesem Moment an konnte Renna sie nicht mehr hören. Sie achtete nicht auf die laut planschenden Geräusche, die die im See umhertollenden Drachen vollführten, sondern ging in Gedanken das Gespräch der Männer noch einmal durch.
Einen elektrisierenden Augenblick lang hatte sie gehofft, das Mädchen, von dem die Rede war, könnte sie selbst sein, und dass sie einen goldenen Drachen reiten könnte. Besaßen nicht die Drachenköniginnen eine goldene Haut? Das wäre herrlich, sinnierte Renna. Doch dann hörte sie die Vermutung, dieses Mädchen könnte blind sein. Im Geist erstellte Renna eine Liste aller Mädchen, die im Camp lebten. Ein blindes war nicht darunter. Vielleicht war ja ein Baby gemeint. Aber hätten ihre Drachen sie nicht über das Alter dieses Kindes aufklären können?
Möglicherweise hielt man das Mädchen irgendwo versteckt - aber wo sollte man hier im Camp einen Menschen verbergen? Am ehesten noch in der Mine.
Doch dann schüttelte sie den Kopf. Nein, das wäre zu gefährlich. Ein anderer Platz fiel ihr nicht ein, und sie kannte jeden Winkel im Camp. Angestrengt dachte sie nach. Hier gab es nur einen Ort, an dem sie noch nicht herumgestöbert hatte ... und das war die zweite Etage in Natalons Haus.
Den Rest ihrer Wache verbrachte Renna mit Grübeln.
Sie war so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie nicht einmal mit Jori schimpfte, die eine gute halbe Stunde später angetrottet kam.
* * *
»Nuella, das ist Lord M'tal, der Weyrführer von Benden«, sagte Kindan, als die beiden Drachenreiter den Schuppen betraten. Mit einem fragenden Blick musterte er den zweiten Mann. »Mein Lord ...«
»Ich bin J'lantir, und mein Drache heißt Lolanth. Im Ista Weyr bekleide ich den Posten des Geschwaderfüh-rers«, stellte sich der neue Gast vor.
»Und du musst Kindan sein«, fuhr er freundlich fort und reichte dem Jungen die Hand. Kindan ergriff sie und drückte sie fest. J'lantir wandte sich um und streckte Nuella die Hand entgegen. Rasch trat Kindan an Nuellas Seite und versuchte, ihr möglichst unauffällig klar zu machen, was von ihr verlangt wurde. Doch er unterbrach seine verstohlenen Bemühungen, als er sah, dass J'lantir und M'tal einen beredten Blick tauschten.
Nuella schien jedoch zu spüren, was vor sich ging, und hob ihre Hand. J'lantir trat einen Schritt nach vorn und nahm sie in die seine.
»Ich bin Nuella«, sagte das Mädchen. Sie zog die Augenbrauen hoch und fragte: »Hast du dich gerade auf mich zu bewegt?«
»Ja, in der Tat«, erwiderte J'lantir. »Woher weißt du das?«
»So etwas fühle ich«, erklärte sie. Nun rückte sie dichter an J'lantir heran und ließ seine Hand los. »Darf ich dein Gesicht berühren?«, bat sie, wobei sie ihre Nervosität nicht verhehlen konnte. »Auf diese Weise lerne ich Menschen kennen.«
»Bitte sehr. Nur nicht schüchtern«, entgegnete J'lantir galant.
Zögernd hob Nuella die Hände. Mit den Fingerspitzen ertastete sie sein Kinn, erforschte den Schwung der Kiefer und zog die Wölbung des Mundes nach. Dann strich sie behutsam über seine Nase, die Augenbrauen und die Stirn.
»Du hast einen Sonnenbrand«, entfuhr es ihr. »In Ista scheint es noch sehr warm zu sein.«
»An bewölkten Tagen brennt die Sonne manchmal besonders heiß«, räumte J'lantir ein. »Aber in diesem Fall verbrannte ich mir die Haut, weil ich hoch über den Wolken flog und der prallen Sonne ungeschützt ausgesetzt war. Bei uns in Ista hängen die Wolken mit-
unter sehr tief.«
»Du fliegst über den Wolken?«, staunte Nuella.
»Allerdings«, bekräftigte J'lantir.
M'tal trat an seine Seite. »Ich bin M'tal«, erklärte er höflich und streckte die Hand aus. Nuella ergriff sie, schüttelte sie, und bat um Erlaubnis, auch M'tals Gesicht abtasten zu
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