Drachenwege
selbst noch im Rang eines Gesellen stand, wurde ich in den Benden Weyr versetzt.« Bei der Erwähnung dieses berühmten Drachenhorstes riss Kindan vor Staunen die Augen auf.
»Während meines Aufenthaltes dort schloss ich viele Freundschaften. Ich wurde auch als Heiler eingesetzt, obwohl ich mit meinen medizinischen Künsten wahrlich nicht glänzte, aber dafür lernte ich eine Menge über Behandlungsmethoden und Arzneien.«
Freimütig fügte er hinzu: »Doch als man in Benden merkte, dass aus mir nie ein wirklich tüchtiger Heiler würde, setzte man mich als Schreiber und Kopisten ein.«
Er schmunzelte, als die Erinnerungen auf ihn ein-drangen. »Ich befand mich noch keine Siebenspanne im Weyr, als ein Gelege ausreifte und die Jungdrachen schlüpften.«
Bei der bloßen Vorstellung schnappte Kindan nach Luft. Meister Zist lächelte zufrieden, und seiner glücklichen Miene entnahm der Junge, dass das Schlüpfen der Drachen auch für den Harfner ein besonders Erleb-
nis gewesen sein musste.
»Die Brutstätte enthielt fünfundzwanzig Eier«, fuhr Zist fort. »Und das letzte Ei brauchte sehr viel Zeit, um zu platzen. Es war sehr groß, und vielleicht dauerte es deshalb so lange. Die Drachenreiter vermuteten, ein Bronzedrache würde daraus schlüpfen, und das bereitete ihnen Sorgen. Die restlichen Kandidaten für die Gegenüberstellung umringten das Ei, und ich saß recht weit oben auf der Zuschauertribüne, deshalb konnte ich nicht alles sehen. Doch dann war es so weit. Der Drache schlüpfte, es war in der Tat ein großer Bronzefarbener, und ein junger Bursche namens Matal wurde von ihm auserwählt. Matal war derjenige gewesen, der mich bei meiner Ankunft im Weyer als Erster begrüßte.«
Kindan merkte, dass er vor Spannung den Atem angehalten hatte, und nun blies er ihn langsam aus.
»Der Erfolg meines Freundes - nun heißt er M'tal -
versetzte mich in einen wahren Begeisterungstaumel.
Ich konnte nicht anders, ich stieß einen lauten Jubelruf aus.« Bei der Erinnerung daran rötete sich das Gesicht des Harfners ein wenig. »Wie du vielleicht weißt, ist eine Brutstätte angelegt wie ein Amphitheater, und mein Schrei muss sich vielfach an den Wänden gebrochen haben. Der Jungdrache erschrak und verhedderte sich mit einer Klaue in seiner Schwinge. Als er sich nicht sogleich befreien konnte, geriet er in Panik, und es dauerte eine geraume Weile, bis M'tal und die anderen ihn beruhigen konnten. Und dann sah ich, dass die Schwinge des Drachen arg zerfetzt war.«
Vor Entsetzen und Mitgefühl keuchte Kindan laut.
»Und es war allein meine Schuld, dass sich das Tier verletzt hatte«, betonte der Harfner erbittert.
»>Holt Hilfe!<, brüllte der Weyrführer. Ich rannte los, in der Hoffnung, den Heiler des Weyrs zu finden, doch in vollem Lauf prallte ich gegen jemand, der mir entgegen kam. Ich erkannt die Person nicht. Bei dem Zusammenstoß war ich gestürzt, und der Mann half mir beim Aufstehen. Er trug einen Beutel bei sich, der angefüllt war mit irgendwelchen Sachen. >Alles wird wieder gut werden<, tröstete er mich. >Du konntest nichts dafür. Wer hätte schon geahnt, dass der Drache so reagieren würde? Willst du mir helfen, seine Verletzung zu behandeln? <«
Der Harfner holte tief Luft und erzählte weiter: »>Ja, gern, wenn ich darf<, antwortete ich. Der Mann nahm mich beim Arm und bugsierte mich zur Brutstätte zurück. Dort begaben wir uns zu dem verwundeten Drachen - Gaminth - und M'tal. Der Mann gab mir einen Tiegel mit Taubkraut, mit dem ich die lädierte Schwinge einrieb. Er hatte alles dabei, was man für eine medizinische Versorgung brauchte - Verbandmaterial und das Gerät, um die zerfetzte Membran wieder zusammenzunähen. Er ging so geschickt vor, dass wir im Nu fertig waren.«
Abermals legte der Harfner eine Pause ein. »Danach behauptete der Mann, die Blessuren würden wieder völlig ausheilen. M'tal, der vor Gaminth kniete, hob den Kopf und wollte sich bei ihm bedanken, doch mitten in seiner Rede unterbrach er sich und schaute abwechselnd den Mann und mich an. >Ach, du bist es!<, rief der junge Drachenreiter erstaunt. Damals dachte ich noch, er hätte den Heiler erkannt, der für den Weyr zuständig war.«
Der Meister schwieg eine Weile, als fiele ihm das Weitersprechen schwer. »>Ja, ich bin es wirklich, du darfst deinen Augen ruhig trauen<, entgegnete der Mann mit einem eigentümlichen Lächeln. >Und jetzt muss ich wieder gehen. < Als ich ihm folgen wollte, hob er abwehrend die Hand. >Ich
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