Drachenwege
Trommler dienen sollten, und aus diesem Grund befand sich Kindan auf dem hoch gelegenen Horchposten, als die Botschaft eintraf.
Es handelte sich um eine sonderbare Nachricht, die er zwar in Normalschrift übertragen konnte, inhaltlich jedoch nicht verstand.
Kindan eilte mit dem Text zu Meister Zist, der gerade den Schulunterricht beendet hatte. Aleesa ist mit dem Tausch einverstanden, lautete die Nachricht.
Zist las sie, bedachte Kindan mit einem unergründli-chen Blick und stellte dann fest: »Nun, damit muss ich sofort zu Natalon.«
Der Harfner machte sich auf den Weg, und Kindan folgte ihm. Einmal drehte sich Meister Zist zu dem Jungen um, sah ihn nachdenklich an und marschierte weiter.
Natalon stand vor dem Eingang zur Grube und unterhielt sich mit dem Vorarbeiter der Schicht. Als er bemerkte, dass sich zwei Personen näherten, hob er den Kopf und blickte ihnen entgegen. Als er Kindan erkannte, furchte er fragend die Stirn.
»Die Nachricht betrifft den Jungen«, erklärte der Harfner, der Natalons Gedanken zu erraten schien.
Ohne ein weiteres Wort gab er dem Steiger den Zettel mit der Nachricht.
»Hm«, brummte Natalon und überflog den Text. »Sie will also tauschen ... vermutlich möchte sie nicht länger frieren.« Er legte den Kopf in den Nacken und spähte zum verhangenen Himmel empor. »Und der nächste Winter wird bitterkalt, soviel steht fest.«
»Du bist dir doch darüber im Klaren, dass sie zwar tauschen will, aber nicht für den Erfolg garantiert«, gab der Harfner mit einem eigenartigen Unterton zu bedenken, wobei er abwechselnd Natalon und Kindan anschaute. »Alles Weitere liegt bei dem Knaben.«
»Doch, das verstehe ich sehr wohl«, räumte Natalon ein. Dann fasste er Kindan prüfend ins Auge. »Man sagt, solche Dinge stecken den Menschen im Blut, vererben sich möglicherweise von einer Generation zur nächsten. Jetzt bekommst du die Chance, es zu beweisen.«
Meister Zist nickte bekräftigend und legte die Hand auf Kindans Schulter. Dann traten die beiden den Rückweg zur Siedlung an.
»Was soll einem im Blut stecken?«, fragte Kindan.
»Das wirst du noch früh genug erfahren«, wich der Harfner aus. »Hoffentlich stimmt das auch, denn für Natalon steht eine Menge auf dem Spiel. Er tauscht Kohlenvorräte für einen Winter gegen etwas anderes ein. Und du bist der Schlüssel zum Ganzen. Auf dich kommt es an, ob das Unterfangen, das wir in die Wege leiten, von Erfolg gekrönt sein wird.«
Ehe der verwirrte Junge etwas sagen konnte, rief Natalon ihnen hinterher: »Meister Zist, da wäre noch etwas!«
Der Harfner blieb stehen und drehte sich um.
»Entzünde ein Signalfeuer und hisse die Flagge. Wir fordern einen Drachenreiter an!«, rief Natalon.
Meister Zist gab mit den Händen ein Zeichen, dass er verstanden hatte.
Vor Staunen riss Kindan Mund und Augen auf. »Wir benötigen einen Drachenreiter?«
»Du hast noch nie einen Drachen aus der Nähe gese-
hen, nicht wahr?«, fragte Zist und lächelte breit. »Bald ist es so weit. Wir müssen uns von einem Drachenreiter an einen bestimmten Ort transportieren lassen. Aleesas Festung liegt weit entfernt, und die Zeit drängt.«
»Wir werden auf einem Drachen reiten!«, staunte Kindan überwältigt. »Was glaubst du, schickt man uns einen bronzefarbenen, einen blauen oder ...?«
»Das kann uns völlig egal sein. Vor allen Dingen dir, mein Junge. Wir sind dankbar für jede Hilfe, ganz gleich, wie sie sich gestalten sollte.« Sie hatten die Lichtung am Fuß des Hügels erreicht, und Meister Zist blickte noch einmal zum Grubeneingang zurück. »Ich hoffe nur, dass Natalon genauso geschickt im Handeln ist wie im Erschließen einer Grube.«
* * *
Als Kindan und der Harfner sich am Abend zum Essen an den Tisch setzten, stellte der Junge endlich die Fragen, die ihm bereits den ganzen Tag lang auf der Seele brannten. »Ich wüsste gern, was das eigentlich zu bedeuten hat, Meister Zist. Du sagtest, der Erfolg des Unternehmens, zu dessen Durchführung wir einen Drachenreiter benötigen, hinge von mir ab. Worum geht es? Und wer ist diese Aleesa, die offensichtlich einem wichtigen Tauschhandel zugestimmt hat.«
Meister Zists Augen funkelten vergnügt unter den buschigen weißen Brauen, und seine Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. »Wie ich sehe, hast du gelernt, deine Ungeduld zu zügeln. Mit deinen Fragen hast du ziemlich lange hinter dem Berg gehalten.«
»Du hast mir beigebracht, dass man zuerst zuhören muss, ehe man spricht. Es gibt
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