Drachenwege
des Jungen zu saugen.
Kindan erinnert sich, dass Wachwhere ohne ein Gebiss auf die Welt kamen und nach einer Weile zahnten, wie Menschenkinder, wobei sie dieselben Schmerzen und Unannehmlichkeiten durchlitten. Er nahm sich vor, frisches Taubkraut zu besorgen und etwas von diesem hochprozentigen Gebräu, mit dem Mütter die wunden Gaumen ihrer zahnenden Babys bestrichen.
Mit einem ernüchternden Gefühl dachte er sich, dass keine der Mütter, die er kannte, den jungen Wachwher anziehend finden würde. Das Tier hatte einen hässlichen unförmigen Kopf, der an einen Drachen erinnerte. Anstatt der mächtigen, eleganten Schwingen, mit denen die Drachen sich stolz in die Lüfte erhoben, besaß es stumpfe, zu klein geratene Flügel. Dies war also sein Wachwher, der ihn nun mit wütend blitzenden Augen anstarrte. Kindan schloss den Glühkorb noch ein wenig, bis nur noch ein winziger Lichtstrahl durch einen schmalen Spalt drang, und dafür belohnte ihn der Jungwher mit einem erfreuten Schnurren.
Meister Zist kam zurück, mit beiden Händen einen Topf tragend. Der Wher knurrte und fauchte, roch den Blutbrei und sprang mit einem großen Satz auf den Harfner zu. Zum Glück war Kindan schneller. Hastig nahm er Meister Zist den Topf ab, schnappte sich den Löffel und klatschte einen ansehnlichen Breikloß in das weit aufgesperrte Maul seines Schützlings. Als diese Portion zur Neige ging, bat Kindan den Harfner, noch einen Kessel mit Brei zu kochen. Erst als Zist aus dem Stall eilte, fiel es Kindan ein, dass es sich eigentlich nicht für ihn gehörte, seinen Lehrer herumzukomman-dieren.
Gespannt fragte er sich, wann der Wher wohl gesät-tigt sein würde? Das Bäuchlein war wohlgerundet, trotzdem klappte er ständig das Maul auf oder stubste Kindan fordernd an. Doch endlich gab das Tier einen gewaltigen Rülpser von sich, der säuerlich und nach Blut roch, watschelte zum Strohlager und schien sich einen geeigneten Platz zu suchen. Nachdem es eine Stelle fand, die offenbar angenehm genug war, rollte es sich zusammen, legte den Kopf auf die vorderen Tatzen und fing an zu schnarchen.
Zist, der auf dem Boden hockte, rappelte sich auf und fuhr mit den Fingern durch das zerstrubbelte Haar.
»Ich sollte mir jetzt wohl die entsprechende Kleidung anziehen und die Ankunft des Wachwhers verkünden
...« Er blickte zu Kindan hinunter, der abgekämpft im Stroh lag und alle viere von sich streckte. »Weißt du schon seinen Namen?«
Kindan schüttelte den Kopf. »Ich hab ihn noch nicht gefragt.«
»Drachen kennen ihre Namen. Ist es bei einem Wachwher genauso?«, erkundigte sich der Harfner.
Kindan zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich wünschte, wir wüssten mehr über Wachwhere.«
»Ist es ein weibliches oder ein männliches Tier?«
»Die Haut ist grün, also ist es ein Weibchen«, erläuterte Kindan. »In dieser Hinsicht gleichen sie den Drachen, bei denen man das Geschlecht ebenfalls an der Hautfarbe erkennt.«
»Gut. Das werde ich Natalon mitteilen.« Zist streckte den Arm aus und zauste Kindans wirren Haarschopf.
»Du hast deine Sache sehr gut gemacht, Junge.«
Alsdann entfernte sich der Harfner. Vor Mattigkeit stöhnend erhob sich Kindan aus dem Stroh, nahm den stinkenden Topf und ging damit in das Cottage. Dort wusch er ihn in der Spüle sauber, um sogleich einen neuen Brei anzusetzen. Er wusste ja nicht, wann sein Schützling aufwachen und nach mehr Nahrung verlangen würde. Während der Brei auf dem Herd köchelte, lief er in den Stall zurück, machte es sich dort bequem und wartete die Entwicklung der Dinge ab.
Er musste eingenickt sein, denn mit einem Ruck wurde er wach, als er gedämpfte Stimmen hörte. Meister Zist unterhielt sich mit Natalon, und der Steiger klang höchst zufrieden.
»Hast du mittlerweile ihren Namen erfahren?«, wandte sich Natalon an Kindan.
»Bis jetzt hat sie noch nichts gesagt... sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich den Bauch mit Brei vollzu-schlagen. Wenn sie aufwacht, muss ich ihr mein Blut zu schmecken geben«, fügte der Junge hinzu und schüttelte sich bei der bloßen Vorstellung.
»Ist das wichtig?«, fragte Meister Zist.
»Auf diese Weise verbindet sich ein Wachwher mit seinem menschlichen Partner, er wird auf ihn geprägt.
Und in meinem speziellen Fall kam mir zugute, dass mein Vater damals dem alten Dask mein Blut zu schmecken gab. Die Wherkönigin erkannte die Narbe und hat mich akzeptiert.«
Zist streckte die Hand aus. »Hast du ein Messer bei dir? Ich werde es
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