Drachenwege
loszogen, brachten sie ihr die Kinder, die noch zu klein waren, um sich selbst überlassen zu bleiben. Tag für Tag bestellten die Frauen die im Tal gelegenen Äcker, arbeiteten in den Gärten oder
* Bekleidung des Bergmanns - Anm. d. Übers.
halfen den Männern, das Holz der gefällten Bäume zu Stempeln zu verarbeiten, mit denen man die Gänge in der Grube abstützte.
Der Vorschlag, Norla solle eine Kinderkrippe einrichten, stammte von Meister Zist. Er fand, der jungen Frau, die nur schwer über den Tod ihres Ehemannes
hinwegkam, täte es gut, wenn sie eine sinnvolle Beschäftigung hätte, und auf diese Weise konnte sie ihre jüngsten Kinder stets bei sich haben.
Früher hatten sich die Mütter der Reihe nach abge—
wechselt und die Kinder der Frauen betreut, die gerade einer Arbeit nachgingen, nun übernahm Norla vollständig diese Aufgabe. Frühmorgens brachte man ihr die Kinder, und in ihrem Cottage stapelten sich saubere wie benutzte Windeln. Hin und wieder, wenn eine Frau die Zeit erübrigen konnte, schaute sie bei Norla vorbei, um sich davon zu überzeugen, dass es ihrem Sprössling gut ging. Und die verwitwete Norla hatte ständig Kontakt mit anderen Menschen und lief nicht Gefahr, zu vereinsamen.
Die Kohlenhalde auf der anderen Seite des Tals
wuchs beständig, doch ganz ohne Probleme ging dies nicht vonstatten.
Kindan bekam viele Gespräche mit, die des Nachts in der Hütte des Harfners geführt wurden. Die Männer
unterhielten sich meistens im Flüsterton, doch im Wesentlichen wusste Kindan, worum es ging. Indes erinnerte er sich an die mahnenden Worte des Harfners und hätte sich eher die Zunge abgebissen, als das Gehörte weiterzuerzählen.
Mit Ausnahme von Tarik, der demonstrativ fern
blieb, suchten nach und nach alle Bergleute des Camps den neuen Harfner auf, um ihm ihren Respekt zu erweisen. Viele von ihnen ließen es nicht bei diesem einen Besuch bewenden, sondern kehrten zurück. Und alle waren besorgt.
»Gewiss, wir fördern reichlich Kohle, aber wie lange noch?«, lautete die allgemeine Klage. »Wenn wir nicht weitere Stollen graben und neue Flöze erschließen, müssen wir anfangen, die Kohlensäulen abzubauen.
Oder wir stellen den Grubenbetrieb ganz ein.«
Am nächsten Morgen war Kindan nicht überrascht,
als der Meisterharfner ihn aufforderte, ihm zu erklären, was man unter einer Kohlensäule verstand.
»Kohle findet man in Flözen unter der Erde«, hatte Kindan geantwortet. »Darüber liegt das Gebirge, welches einen ungeheuren Druck ausübt. Wenn man eine
Lagerstätte erschließt und Hohlräume schafft, lässt man in gewissen Abständen große Säulen aus Kohle stehen, damit die Decke des Stollens nicht einbricht.«
»Aber das ist doch sicher nicht die einzige Möglichkeit, die Gänge zu sichern, oder?«
»Nein«, antwortete Kindan. »Man kann einen Stollen auch mit einem Ausbau aus Holz abstützen und danach die Kohlensäulen abbauen. Wenn eine Lagerstätte nicht besonders groß oder das Vorkommen erschöpft ist, geht man auf diese Weise vor. Aber bei uns dürfte das noch lange nicht der Fall sein, vielleicht erst am Ende des nächsten Vorbeizugs des Roten Sterns ...«
»Das wären ja noch mehr als fünfzig Planetenumläufe.« Meister Zist zeigte sich gebührend beeindruckt.
Kindan nickte. »Das Flöz, welches jetzt erschlossen wird, ist über drei Meter mächtig und reicht weit in die Tiefe. Wenn das Camp erst einmal offiziell zur Zeche erklärt sein wird, wollen die Bergleute weiter Schächte abteufen. Dabei gibt es Schächte für den Transport von Menschen und Material, und solche, die für die Bewetterung da sind und die Grubenbaue mit Frischluft versorgen. Vermutlich legt man unterirdische Strecken an, die so breit sind, dass Arbeitstiere die Kohle befördern können. Bis jetzt ziehen Menschen die Grubenwagen oder benutzen Schubkarren zum Transport von Kohle.«
Meister Zist nickte verstehend. »Was weißt du noch über diese Kohlensäulen?«
»Nun ja, wie ich schon sagte, räumt man nicht das
ganze Flöz leer, sondern lässt immer wieder Säulen stehen, die verhindern, dass der Druck des Gebirges die Hohlräume zum Einsturz bringt. Wenn man anfängt,
diese Säulen abzubauen ...«
»Könnte dadurch das gesamte Stollennetz einstürzen, nicht wahr?«, sinnierte Meister Zist.
Kindan nickte heftig mit dem Kopf. »Ganz genau!«
»Dann sollte man sich doch tunlichst hüten, diese
Säulen auch nur anzurühren. Oder kannst du dir eine Situation vorstellen, in der
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