Drachenzauber
wusste. »Als Tochter von Haverness war es mir nicht möglich zu arbeiten -
jedenfalls nicht, wenn ich weiter als Dame angesehen werden wollte. Aber es ist teuer, Spionin zu sein.«
Ihr Vater hatte ihr einmal Geld geschickt, aber sie hatte ihm ausrichten lassen, er solle so etwas nicht wieder tun. Die Gefahr, dass jemand die Verbindung durchschaute, war zu groß, und Jakoven hätte nur zu gern eine Ausrede gehabt, Haverness des Verrats anzuklagen.
»Einer der Gäste in dem Gasthaus, in dem ich übernachtete, war ein Schauspieler«, fuhr Tisala fort.
»Er hat mir die Rolle besorgt. Ich trug eine Maske, und das Theaterviertel ist ohnehin nicht von Adligen überlaufen.«
Stala nickte. »Ward sagte mir schon, dass Ihr wisst, was man mit einem Schwert anfängt - hohes Lob! Könnt Ihr auch mit dem Stock kämpfen?«
Tisala schüttelte den Kopf. »Im Augenblick nicht.
Dieser hier ist ohnehin zu lang, aber ich nehme an, dass meine linke Hand auch mit einem in der richtigen Größe nicht zurechtkommen würde.«
Stala untersuchte sorgfältig die Hand und drehte sie hin und her.
»Je eher Ihr anfangt zu üben, desto schneller wird sie sich erholen«, sagte sie schließlich und gab Tisalas Hand frei. »Ich denke, wir können etwas Passen-deres für Euch finden als Wards Waffe. Der Junge hätte ebenso gut einen Baumstamm nehmen können.
Die Garde arbeitet heute im Hof mit dem Stock. Ich habe einen Seefurter, mehrere Tallvens und ein paar Männer aus Avinhelle, aber wir hatten hier keine Oransteiner, seit ich denken kann. Es würde den Männern gut tun, die Unterschiede zwischen dem oransteinischen Stil und unserem zu sehen.«
Tisala spürte, wie sich ihre Lippen zu einem echten Lächeln verzogen. Es war so lange her, dass sie Gelegenheit gehabt hatte, mit ausgebildeten Kämpfern zu üben!
In den nächsten Tagen folgte der Übung mit dem Stock der mit dem Schwert, dann Nahkampf und schließlich der Bogen.
Tisala war mehr in ihrem Element als je zuvor.
Hier hatten die Männer keine Angst sie anzufassen, weil sie eine Frau war. Es gab bessere Kämpfer als sie in der Garde, aber sie war wahrhaftig nicht die Schlechteste, und Stala konnte ihr ein paar neue Tricks beibringen. Was sie noch an Schwäche spürte, verging immer schneller. Wenn sie sich ins Bett legte, schenkte ihr die Erschöpfung jetzt traumlose Ruhe statt der Albträume, die sie geplagt hatten, seit sie ihren Folterer tot zurückgelassen hatte.
Drei Tage, nachdem Ward aufgebrochen war, fühle sie sich am Ende der Morgenarbeit gut genug, dass sie beschloss, an diesem Nachmittag allein nach Estian aufzubrechen und nicht auf Lord Duraugh zu warten.
Während sie sich noch den Schweiß abwischte und freundliche Beleidigungen mit dem Seefurter austauschte, mit dem sie gekämpft hatte, überlegte sie, um was sie Stala bitten sollte: ein Pferd, Proviant und etwas Geld für Bestechungen.
Der Stakkatoklang eines Horns vom frisch repa-rierten Tor ließ alle erstarren.
»Lord Duraugh«, sagt Stala. »Das wurde auch Zeit.«
Sie steckte die Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus, dem ein Horn antwortete. Bei diesem Geräusch beeilten sich die Männer, die das Tor bewachten, es zu öffnen. Ein zweiter Pfiff brachte die Blaue Garde in Formation. Tisala trat neben Stala und sah zu, wie Wards Onkel mit fünfzig Männern, darunter auch Tosten und Beckram, durchs Tor ritt.
Ihre Pferde waren so müde, dass sie stolperten, und Stala stellte ein paar von ihren Leuten ab, um den Stallknechten zu helfen.
Wards Onkel war ebenfalls hoch gewachsen, wenn auch nicht so groß wie Ward. Man sah ihm das Hurog-Blut deutlich an seiner Gesichtsform und den Farben an. Wie Tosten und Oreg hatte er strahlend blaue Augen, die beinahe lila wirkten. Er ließ den Blick über die Männer im Hof schweifen und kurz auf Tisala verharren, bevor er Stala zunickte.
Nachdem er abgestiegen war, überließ er seinen Wallach ohne ein weiteres Wort einem Stallknecht.
»Die Männer des Königs sind uns auf den Fersen.
Ich wagte nicht, mehr Männer aus Iftahar mitzuneh-men - Ciarra wird jeden Tag meinen Enkel zur Welt bringen. Wenn wir nicht da sind, um zu verhandeln, werden sie sie wahrscheinlich in Ruhe lassen, aber ich musste ihr eine Streitmacht lassen, falls der König zu dem Schluss kommt, dass er alle Hurogs in Estian braucht, und nicht nur die Männer.«
Stala runzelte die Stirn. »Wie meinst du das - alle Hurogs? Und weshalb jagen die Männer des Königs dich?«
Beckram
Weitere Kostenlose Bücher