Drachenzauber
wirst.«
Er hatte sie ruhig angesehen, aber bei diesen letzten Worten kniff er die Augen zusammen. »Ward wehtun?«
Sie nickte. »Er weiß, dass Ward dich als einen seiner Streuner betrachtet - wie mich oder dieses Mädchen mit dem Geburtsmal im Gesicht und den kleinen Jungen mit dem verkrüppelten Fuß, dessen Vater in der Blauen Garde dient. Aber er glaubt, das bedeutet, dass Ward nicht weiß, wer du bist und wozu du fähig bist.«
»Ich würde Ward niemals verletzen«, sagte Oreg leise.
»Das weiß ich«, sagte sie. »Tosten weiß es inzwischen, glaube ich, ebenfalls. Niemand konnte übersehen, was du für Ward empfindest, als du uns sagtest, dass du ihn verloren hast.«
Oreg ging mehrere Schritte von ihr weg. Einen Augenblick später kehrte er zurück, Gesicht und Körper wieder entspannt.
»Du kennst mich also besser als alle anderen?«
Wieder klang sein Tonfall beinahe drohend.
Sie reckte das Kinn und lächelte kalt. »Du bist ein Raubtier - ebenso wie ich. Ich denke, du würdest für die Leute in Hurog dein Leben geben - aber alle anderen sind dir egal.« Sie konnte spüren, wie die Aura der Bedrohlichkeit sich um ihn sammelte. Ein kalter Wind wehte durch die Bäume und brachte das alte Laub zum Rascheln, das darauf wartete, dass erste Frühlingsknospen sich entwickelten. »Ich bringe dich nur ungern zu Rosem«, sagte sie. »Du bist zu achtlos mit anderen Menschen. Aber ich will das, worum er dich bitten wird, dringend genug, um ihn der Gefahr auszusetzen.«
Er lachte plötzlich und ließ sich schlaff gegen die Eiche sinken. »Lass uns einen Handel abschließen.
Du wirst Ward finden, und ich höre mir an, was dein Freund zu sagen hat. Ich werde für dich ein ehrlicher, unschuldiger, halb verrückter Zauberer sein. Immer vorausgesetzt«, er hob einen Finger, »du ersparst mir weitere Vorträge.«
Sie sah ihn misstrauisch an. Wahrscheinlich, dachte sie, war sie nie wirklich in Gefahr gewesen. »Also gut, ich verspreche zu versuchen, dir keine Vorträge mehr zu halten. Ich habe eine Schwäche dafür, aber ich werde mich bemühen, ihr in deiner Gegenwart nicht nachzugeben.«
Er grinste sie an und zeigte die Zähne. »Dann lass uns in die Drachenhöhle gehen und Lord Duraugh erzählen, was wir wissen. Er erwartet uns sicher schon.«
Sie rechnete halb damit, dass er sie mithilfe von Magie ins Haus bringen würde, aber er bot ihr nur einladend seinen Ellbogen. Als sie sich bei ihm einhängte, tätschelte er ihre Hand und lachte noch einmal schnaubend.
»Wenn du mich für so gefährlich hältst, warum bist du dann so unbeschwert mit mir?«
Sie lächelte. »Weil ich keine Gefahr für Ward darstelle, und das weißt du.«
Sie gingen in die Gasse hinter dem Haus und durch das Gartentor. Die Hintertür war nicht abgeschlossen, was Oreg änderte, sobald sie sich im Haus befanden.
Das Haus war karg eingerichtet, aber es gab einige gute Möbelstücke. Tisala fuhr mit der Hand über einen kleinen Tisch. Alles wirkte ein wenig unpersönlich, als wäre dieses Haus schon lange für niemanden mehr ein Zuhause gewesen.
Oreg führte sie schweigend die Hintertreppe hinauf und durch einen trüb beleuchteten Flur. Es gab mehrere Türen, aber nur unter einer fiel Licht hindurch. Oreg blieb davor stehen und klopfte an.
»Herein«, sagte Wards Onkel, und sie betraten das Zimmer.
Der Raum war als Bibliothek gedacht gewesen, aber Bücher waren teuer, und daher standen die Regale, die sich an einer Wand entlangzogen, leer. Ein paar bescheidene, aber geschmackvolle Vasen und eine kleine Schnitzerei oder zwei ließen den Raum ein bisschen wohnlicher wirken.
Lord Duraugh und sein Sohn Beckram saßen vor einem schmalen, langen Tisch. Beckram wirkte eindeutig erleichtert, Oreg und Tisala zu sehen.
Der Krieger, der von Hurog zur Hauptstadt gereist war, war verschwunden: Duraugh trug nun elegante Hofkleidung wie eine zweite Haut, und er wirkte beinahe unmännlich. Beckram war zwar noch aufwändi-ger gekleidet, aber von einer mühsam gebügelten Entschlossenheit umgeben wie von einem Umhang. Niemand hätte ihn für einen schlichten Stutzer gehalten.
»Habt Ihr Ward gefunden?«, fragte Duraugh.
Tisala schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass er sich nicht im regulären Teil des Asyls befindet. Morgen wird mein Freund mich in den Bereich bringen, in dem Magier gefangen gehalten werden. Wenn sie ihn dort eingesperrt haben, werde ich ihn finden. Der Bereich ist nicht besonders groß, nur ein paar Zellen
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