Drachenzauber
eigene, nicht lange zurückliegende Erfahrung in Jakovens Gewalt ließ sie den Blick zu seinen Händen senken, aber er hatte immer noch fünf Finger an jeder Hand, und jeder verfügte über einen schmutzigen Nagel.
Aber er sprach immer noch nicht, sondern starrte sie nur an. Gänsehaut breitete sich über ihren Nacken aus, als ihr klar wurde, dass er kein Theater spielte.
Die Angst, die sie in seinen Augen sah, war echt.
Ward hatte Angst vor ihr. Diese Erkenntnis erschüt-terte sie so, dass sie beinahe geweint hätte. Ihr Ward fürchtete sich vor gar nichts! Instinktiv ging sie auf ihn zu.
Er hob eine Hand, die ein wenig zitterte, aber die Geste mit der Handfläche nach oben war allgemein verständlich.
»Tis.« Seine Stimme war ein träges Grollen, das mehr als nur ein wenig gefährlich klang. »Bleib zurück.« Und dann leiser, beinahe im Flüsterton: »Bitte.«
Einen Augenblick war sie gekränkt, aber dann kam sie zur Vernunft. Was immer sie Ward angetan hatten, es hatte ihn nicht langsamer gemacht. Er war sehr schnell auf die Beine gekommen. Sie hatte in zu vielen Kämpfen gestanden, als dass ihr der schwere Atem und die vibrierende Bereitschaft entgangen wären. Was immer der Grund sein mochte, sie machte ihm Angst. Sie hatte ihn in die Enge gedrängt. Sie glaubte nicht wirklich, dass er ihr wehtun würde, aber sie wich zurück.
Sie sah ihm auch nicht mehr ins Gesicht, weil Augenkontakt vielleicht ebenfalls bedrohlich wirkte.
Etwas tief in ihr widersetzte sich der Bewegung und erkannte die Gefahr, die er darstellte. Aber aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie er sich kaum merklich entspannte.
Als sie anfing, die Zelle sauber zu machen, rutschte Ward wieder an der Wand herunter, bis er in der gleichen Haltung dahockte wie zu Anfang. Er zog das Stroh um sich, bis es seine Beine bedeckte und über den größten Teil des Rests von ihm verstreut war.
Tisala achtete darauf, sich die Augen zu wischen und ein ausdrucksloses Gesicht aufzusetzen, bevor sie Wards Zelle verließ. Die anderen Bewohner des Magierblocks waren offensichtlicher verwundet, hatten Schnittwunden und fehlende Glieder. In einer Zelle hielten die Wachen den Gefangenen fest, der abwechselnd weinte und lachte, während sie sauber machte.
Es gab viele Dinge an Jakoven, die sie verab-scheute, Dinge, die zu der schmerzlichen Entscheidung geführt hatten, die sie von ihrem Vater entfernt hatte. Aber obwohl seine Sünden Legion waren, hatte sie ihn nicht wirklich gehasst. Bis zu diesem Tag.
Tisala ging durch die trüb beleuchtete Schänke auf die hintere Ecke zu, in der Oreg auf sie wartete.
Sie setzte sich ihm gegenüber und beugte sich vor.
»Du musst ihn dort rausholen.«
Oreg senkte die Lider, sodass sie seine Reaktion nicht deuten konnte, aber seine Stimme war freundlich. »Wenn du ihn gefunden hast, kann ich ihn rausholen.«
Erleichterung erfasste sie. Oreg würde ihn befreien. Selbstverständlich würde er das.
»Ich dachte nicht, dass jemand so schnell so viel Gewicht verlieren kann«, sagte sie. »Er ist mindestens zehn Pfund leichter.«
»Magie kann das bewirken«, sagte Oreg. »Erzähl mir, was du gesehen hast.«
Mit einer Handvoll Fragen holte er mehr aus ihr heraus, als sie geglaubt hatte zu wissen - Wards Augen hatten eher schwarz als braun ausgesehen, und seine raschen, koordinierten Bewegungen hatten in deutlichem Kontrast zu der schleppenden, angestrengten Art zu sprechen gestanden.
Schließlich warf Oreg eine Silbermünze auf den Tisch - zu viel, aber Tisala protestierte nicht. Sie nahm nur den Arm, den er ihr bot, und verließ die Schänke an seiner Seite.
Er bewegte sich mit beherrschter Gewalt. Tisala störte ihn nicht mit Konversation, denn sie verspürte das gleiche Bedürfnis, etwas zu tun, und die gleiche Wut. Sie hatte nicht vergessen, dass sie sich in der Schänke getroffen hatten, damit sie Oreg zu Rosem bringen konnte, aber sie wollte das nicht tun, solange er in dieser Stimmung war.
Sie gingen durch ein kleines Ladenviertel, und er blieb vor einem Gebäude stehen, über dessen Tür ein Mörser und ein Stößel hingen - eine Apotheke. Sie war um diese Abendzeit selbstverständlich geschlossen, aber droben, wo der Inhaber offenbar wohnte, brannte noch Licht.
»Kräuter«, sagte Oreg plötzlich. »Es gibt Kräuter, die bewirken können, dass jemand so überreizt und verwirrt ist. Du sagtest, er war ansonsten nicht verletzt?«
Kräuter bedeuteten, dass die Verfassung, in der Ward sich befand, nicht von Dauer
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