Drachenzauber
Nacht war er sehr liebevoll und sanft zu Garranon gewesen.
Nun riss Garranon den Kopf herum, um das Sofa nicht mehr sehen zu müssen.
Er hasste Jakoven. Er wusste, dass er es tat. Er hatte Jakoven insgeheim gehasst, seit man ihn als ver-
ängstigten Jungen in das Schlafzimmer des Königs gebracht hatte. Hatte ihn jedes Mal mehr gehasst, wenn er nach Oranstein ging und dann schon nach wenigen Wochen gezwungen war, seine Frau, sein Kind und den Besitz wieder zu verlassen, um im Schlafzimmer des Königs zu dienen.
Garranon legte sich aufs Bett, das mit neuen Laken und Decken versehen war, und starrte die bemalte Zimmerdecke zwei Stockwerke über dem Boden an.
Es war nur Stolz, sagte er sich. Oranstein würde auch überleben, ohne dass er die Befehle des Königs versüßte, aber es lag in seinem Wesen, sich Gedanken zu machen, dass es ohne ihn nicht bestehen könnte. Jakoven würde ihm nicht fehlen. Er ballte die Hände zu Fäusten.
Als das Bett unter dem Gewicht von etwas anderem einsank, streckte er die Hand aus, um das weiche Fell der Tamerlain zu streicheln, ohne den Blick von den Sternen und dem Mond an der Decke abzuwenden.
»Danke, dass du Ward geholfen hast«, sagte er.
»Er war großartig - ich dachte, Jadeauge würde vor Zorn über die Vereitelung seiner Pläne auf der Stelle tot umfallen.«
Sie schnurrte und rieb ihr breites Gesicht an seiner Schulter, bevor sie sich gegen ihn lehnte. »Was beunruhigt dich?«
Er lachte freudlos. »Ich.« Er rieb mit der Hand über die neue Tagesdecke. Der Tamerlain konnte er sagen, was er nicht einmal sich selbst gegenüber zugeben konnte. »Ich hasse ihn. Warum tut es also so weh, ihn zu verlassen?«
Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Du warst zwanzig Jahre lang Jakovens Geliebter.«
»Neunzehn.«
»Das ist mehr als die Hälfte deines Lebens. Kein Wunder, dass es sich seltsam anfühlt, das zurückzulassen.«
Er lächelte sie an.
»Vielleicht«, sagte sie träge, »solltest du herausfinden, wen er in diese Räume bringen wird. Es könnte dir helfen. Ja, ich denke, das wäre eine gute Idee.«
Sie rollte sich vom Bett. »Komm mit.«
Die Tamerlain führte ihn zu dem vertrauten Durchgang zwischen seinen Räumen und den Gemächern des Königs und blieb vor den Holzpaneelen stehen, die sich zu Jakovens Zimmern öffneten.
»Du musst still sein. Sie werden uns nicht sehen, aber es ist schwieriger, Geräusche zu maskieren«, sagte sie und schnaubte das Paneel an, das schimmerte und sich dann vor ihr auflöste. Als sie hindurchging, folgte Garranon ihr.
Der Durchgang öffnete sich ins Empfangszimmer des Königs. Das einzige Möbelstück hier war sein Sessel, der auf einem Podest stand, sodass Jakoven, wenn er saß, die gleiche Höhe hatte wie ein stehender Mann.
Er saß auch jetzt auf seinem Sessel, während Jadeauge, nur in ein meerblaues Nachtgewand gehüllt, sich dagegenlehnte. Auf dem Läufer vor dem Podium hielt eine Wache einen um sich schlagenden Jungen fest. Keiner von ihnen ahnte, dass Garranon und die Tamerlain sie beobachteten.
Jemand hatte das Kind gewaschen, aber Wasser und Seife konnten gegen den Dreck von Jahren nur begrenzt etwas ausrichten. Seine Haut war grau und das Haar so ordentlich geschnitten, dass es gerade erst passiert sein musste. Es war extrem kurz - wahrscheinlich, um ihn von dem Ungeziefer zu befreien, das die geringeren Einwohner von Estian plagte.
Hunger ließ ihn älter aussehen als seine Jahre, aber Garranon schätzte, dass er kaum mehr als zwölf sein konnte.
»Halte ihn still«, befahl Jakoven. Das erregte Tremolo in seiner Stimme ließ Garranon aufschre-cken, als der Soldat einen Arm um den Jungen schlang, sein Kinn packte und ihn damit zwang, den König anzusehen.
»Hurog-Blau«, sagte der König zufrieden. »Dein Herr wird belohnt werden, wie ich es versprochen habe. Jadeauge, nimm den Jungen.«
Der Magier des Königs packte den Jungen unsanft am Arm, und der Soldat ging. Der Junge zuckte einmal, dann schrie er auf und hörte auf sich zu bewegen, als Jadeauge seinen Griff veränderte.
»Ein bisschen mager, wie?«, stellte der Magier angewidert fest.
»Wir werden ihn füttern«, sagte Jakoven und stand auf.
»Junge«, sagte er mit samtiger Stimme, die Garranon so vertraut war wie seine eigene. »Sag mir deinen Namen.«
»Nein«, erwiderte der Junge und spuckte auf den Boden.
Jakoven lächelte und berührte die schmale Wange des Jungen. Garranon sah nicht mehr als das, aber Jadeauge ließ die Hände sinken und
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