Drachenzauber
zornig. Ich stellte mir vor, was aus Colwick geworden wäre, wenn Jakovens Pläne aufgegangen wären. Ich fragte mich, wie viele andere Shavig-Lords an diesem Tag im Audienzsaal gewesen waren, wo Jakoven sie zu Verrätern erklären und töten wollte.
Mit einem unbeschwerten Lächeln sagte ich: »Oh, der König hat seine Methoden. Aber ich wurde von meinem Vater ausgebildet und hatte viele Jahre Zeit zu lernen, wie man Leute glauben lässt, etwas zu sein, was man nicht ist.« Die Einzelheiten zu erwähnen, hätte nur zu Mitleid geführt. Sollten sie sich selbst ausmalen, was geschehen war.
»Also habt Ihr beschossen, es ihm ein bisschen zurückzuzahlen, Welpe?«, rief Orvidin aus dem hinteren Teil der Halle. Seine Stimme war ein leises Grollen, das die Schatten des Raums mühelos durchdrang, und alle drehten sich zu ihm um. Der alternde Krieger stützte sich auf einen Stock. Sein schneeweißes Haar fiel ihm offen bis zur Taille, ein scharfer Kontrast zum Eisengrau seines kurz geschnittenen Barts. Orvidin war ein Zeitgenosse meines Großvaters.
»Und daher habt Ihr den Bruder des Königs mit nach Hause gebracht, um Jakoven zu ärgern, und Euren Onkel hat es dadurch Iftahar gekostet«, fuhr er fort.
Ich nickte bedächtig. »Man könnte sicher behaupten, dass Kellens Rettung etwas mit dem Verlust meines Onkels zu tun hatte - ja«, stimmte ich zu. Die Spannung im Raum war deutlich zu spüren. »Oder vielleicht haben auch mehrere Leute alles aufs Spiel gesetzt, um mir zu helfen, und die einzige Bezahlung, um die sie baten, bestand darin, Kellen aus dem Asyl zu holen, wo er ohnehin niemals hätte sein sollen.
Als sie mich darum baten, schämte ich mich, weil ich nie zuvor daran gedacht hatte, seine Entlassung zu fordern, obwohl ich ebenso gut wusste wie Ihr, dass er dort nicht hingehörte.«
Nun schwiegen alle. Wie viele von ihnen hatten in den letzten Jahren an Kellen gedacht? Kellen, der ein stiller, freundlicher Junge gewesen war, verurteilt, in einer kleinen, feuchten Zelle zu leben. Hatten sie gelogen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass die Krankheit, die Jakoven vorgetäuscht hatte, um Kellens Gefangenschaft zu rechtfertigen, tatsächlich existiert hatte?
Als ich der Ansicht war, dass sie genug Zeit gehabt hatten, ein schlechtes Gewissen zu haben, fuhr ich fort: »Beide Gründe entsprechen der Wahrheit.
Aber darüber hinaus weiß ich auch, dass Jakoven mich und die meinen nicht wieder in Frieden lassen wird. Ich kann mir den Luxus nicht mehr leisten, mich hier in Hurog zu verstecken und zu hoffen, dass der König mich vergessen wird. - Alizons Rebellion ist zum Untergang verurteilt«, fuhr ich fort. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah Zustimmung in einigen Gesichtern und unterdrücken Zorn in ein paar anderen. »Das dachte ich zumindest.
Aber es sieht so aus, als wäre es niemals wirklich Alizons Rebellion gewesen - es ist die von Kellen.«
Ich ließ das Murmeln einen Herzschlag oder zwei anschwellen, dann sprach ich weiter. »Indem ich Kellen also aus diesem höllischen Ort heraushalf …«
Jemand lächelte, und ich hielt inne.
»Keiner von Euch sollte die Lügen glauben, die Jakoven über Luxus und gute Behandlung im Asyl verbreitet«, sagte ich. »Ich war dort, und ich würde nicht einmal einen Hund, den ich gern habe, der
›sanften‹ Obhut der Männer überlassen, die das Asyl des Königs für adlige Peinlichkeiten und Unbequem-lichkeiten betreiben.«
Ich hatte zu viel Gefühl in diese Äußerung gelegt.
Ich sollte sie lieber glauben lassen, dass Jakovens Zauberer nichts weiter getan hatten, als mich zu verhören, während ich mich dumm stellte.
Ich schluckte und fuhr mit tödlichem Ernst fort, ohne noch an meine sorgfältig auswendig gelernte Ansprache zu denken. »Wie Orvidin also bereits vermutete, war es nichts als mein eigenes Interesse, das mich veranlasste, Kellen zu helfen und mich seiner Rebellion anzuschließen. Aber ich glaube, das ist ein Interesse, das alle Shavig-Leute mit mir teilen.«
Ich nahm meinen Bierkrug vom Tisch und ließ das süße Gebräu durch meine Kehle rinnen. Mein Onkel lächelte ermutigend, auf eine Art, die andere, die weiter entfernt saßen, nicht einmal bemerkt hätten.
Ich stellte den leeren Krug ab, wandte mich wieder meinen Zuhörern zu und versuchte nicht zu bemerken, wie das Geräusch vom Absetzen des Krugs in der Stille des Raums hallte.
Sie wollen überzeugt werden, hatte mein Onkel gesagt. Sie werden so lange zuhören, wie du
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