Drachenzauber
Überlegen wir mal, sollte das Axiel oder Penrod sein? Ich denke Penrod, er sieht aus wie ein alter treuer Diener … und meinem Knappen Ciarra, die wir Ciar nennen werden, weil es sicherer ist, sie als Jungen auszugeben. Axiel wird ein mittelloser Mann sein, dem wir auf der Stra-
ße begegnet sind, ein Kämpfer, dessen Herr an einer Krankheit gestorben ist … der Seuche. Oreg ist mein Vetter oder Bastardbruder oder so etwas.«
»Ist er das wirklich?«, fragte Bastilla neugierig.
Das lenkte mich von dem Garn ab, das ich spann.
Ich runzelte die Stirn. »Ja, aber er spricht nicht gern darüber.«
»Nein?«, fragte Oreg und zog die Brauen hoch.
»Nein«, erwiderte ich entschlossen.
»Und was ist mit mir?«, fragte Bastilla und beugte sich vor.
»Sie ist der Grund deiner Schande?«, schlug Oreg vor.
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Zu melodramatisch. Ich denke, wir sind Euch in Tyrfannig begegnet. Eine Zauberin aus Avinhelle, die in diesem Hafen im Norden festsaß.«
»Nach einem Schiffsunglück?«, fragte sie eifrig.
»Zu weit von zu Hause entfernt, um mir die Rückrei-se leisten zu können, also nahm ich eine Stelle bei einer Söldnertruppe an?«
»Sicher.« Ich nickte. Ich mochte sie, und nicht nur wegen ihrer Schönheit.
»Ich dachte, du hättest etwas gegen Melodramen«, murmelte Oreg.
»Es ist wirklich seltsam«, sagte Bastilla, die plötzlich ernst geworden war. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal bis hierher kommen würde, so weit von zu Hause entfernt. Die Cholyten dürfen den Turm nicht verlassen. Einige von ihnen haben dieses Leuchten an sich, von ihrer Zwiesprache mit der Göttin. Aber ich konnte sie nie spüren. Die Tränke, die man uns gab, um diese Zwiesprache zu fördern, haben bei mir nie gewirkt. Die Cholynn war sehr verärgert, weil ich weder der Göttin noch dem Turm viel nützen konnte.« Unter ihrem Unbehagen hörte ich auch, dass sie sich schämte.
Oreg schnaubte. »Sie hat Euch allen Drogen versetzt, um Eure Kräfte abschöpfen zu können. Dabei sind Drogen absolut nicht notwendig, damit einen die Götter berühren. Ihr braucht nur die Asketen in Menogue zu fragen. Sie haben die Macht von Aethervon, genug davon, um den Turm der Cholynn zu braten, und sie sind nicht nach einem Jahr im Tempel schon eine erschöpfte Hülse.«
Ich räusperte mich und hoffte, das Bastilla, die immerhin aus Avinhelle kam, nicht viel über die tallvenische Geschichte wusste.
»Menogue? Die Ruinen vor Estian? Ich habe gehört, sie wären im Reformationskrieg zerstört worden.« Vor mehreren hundert Jahren. »Und der Orden von Aethervon mit ihnen.«
Das Schweigen dauerte einige Zeit, dann sagte Oreg: »Ich bin so etwas wie ein Historiker. Manchmal glaube ich, dass ich mehr in der Vergangenheit lebe als in der Gegenwart.«
Sie nahm ihm das selbstverständlich ab. Die Wahrheit war erheblich weniger glaubwürdig.
»Wie seid Ihr beiden einander begegnet?«, fragte Bastilla einen Augenblick später. »Axiel und Penrod kennen Euch nicht. Ihr seid zu jung, um ein so guter Zauberer zu sein; selbst die Cholynn konnte sich nicht teleportieren, ohne vorher eine komplizierte Zeremonie zu vollziehen, und Ihr tut es einfach so.«
Ich nahm an, dass sie mit Oreg sprach, da ich mich nirgendwohin teleportiert hatte.
»Oreg gehört zur Familie«, sagte ich.
»Ein Bastard«, bestätigte Oreg. »Ich bin älter, als ich aussehe. Ein Zauber …« Er brach ab, dann begann er erneut, und diesmal forscher: »Ich wollte den Familiensitz sehen. Es war einfach hineinzugelan-gen, ohne dass mich jemand bemerkte, aber dann haben Ward und seine Schwester mich entdeckt.«
Er log ebenso gut wie ich; er sagte dabei so viel die Wahrheit wie möglich, um einen falschen Eindruck zu vermitteln. Vielleicht lag es uns im Blut.
Es war immer noch dunkel, als ich erwachte, weil jemand meine Schulter berührte, und ich sah, dass Penrod neben mir kniete. So leise wie möglich stand ich auf und griff nach meinem Schwert. Ich folgte Penrod in den Wald und wieder auf die Anhöhe, auf der ich zuvor Wache gehalten hatte, wo Oreg bereits wartete.
Ich sah sofort, was er mir zeigen wollte. Keine halbe Meile entfernt zeichnete sich das unmissver-ständliche orangefarbene Glühen eines Lagerfeuers in der dunklen Nacht ab.
»Hast du nachgeschaut?«, fragte ich.
Penrod schüttelte den Kopf.
»Bleib hier, ich werde es mir einmal ansehen. Halte weiter Wache. Wenn du Kampfgeräusche hörst, weck die anderen.«
Es ist nicht einfach, sich im
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