Drachenzauber
hatte mehr mit deiner Sicherheit als mit deiner Begabung zu tun. Ein hübscher Junge wie du muss mit Seeleuten vorsichtig sein.« Er erstarrte ein wenig, denn er wusste inzwischen, was ich meinte - das war, als ich ihn in Tyrfannig gelassen hatte, nicht der Fall gewesen.
»Du bist der neue Hurogmeten«, wechselte er dann abrupt das Thema. Ich konnte ihm nicht ansehen, was er gerade dachte.
Tosten war immer zurückhaltend gewesen. Ich glaubte nicht, dass er mich besonders mochte. Mein lärmendes Dummkopf-Theater hatte ihn nervös gemacht, wie ein lauter Hund ein hochgezüchtetes Pferd. Das Toben und die Schläge meines Vaters -
obwohl Tosten sie seltener erlebte als ich - waren noch schlimmer gewesen. Er hatte sich ungeheuer angestrengt, um das zu sein, was Vater wollte, und nicht erkannt, dass Vater nie zufrieden sein würde.
»Nein, ich bin nicht der Hurogmeten.« Dann hielt ich inne, um darüber nachzudenken. Tatsächlich hatte ich keine Ahnung, was das Dekret des Königs bezüglich des Titels vorsah. »Zumindest herrsche ich derzeit nicht in Hurog.«
Das erweckte seine Neugier. »Warum nicht?«
»Es sieht so aus, als hätte Vater beschlossen, mich für untauglich zu erklären, und die Politik hilft ihm dabei auch noch nach dem Tod. Solange unser Onkel nicht zu gierig wird, gehört Hurog dir.«
Das Schweigen dauerte so lange, bis mein Nacken von der Anspannung kribbelte. Wenn Tosten Hurog haben wollte, würde es ihm gehören. Ich glaubte nicht, dass er es tun würde, aber es war immerhin möglich.
Er war mein Bruder; ich würde nicht mit ihm kämpfen.
Tosten starrte die dunkle Mauer der Schänke an, während seine Finger, lang und schlank wie die von Oreg, sich auf dem Tisch langsam zur Faust ballten.
»Wie kann das sein?« Seine Stimme brach, als wäre sein Hals sehr trocken.
»Nach mir bist du der Erbe unseres Vaters«, sagte ich.
»Das ist mir klar«, sagte er gereizt. »Aber niemand außer dir weiß, wo ich bin. Ich meinte, wie willst du es anfangen?«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Er hatte das letzte Wort besonders betont. »Was anfangen?«
Er schnaubte. »Glaubst du denn, ich hätte dich und Vater all diese Jahre beobachten können« - er klang, als wäre er uralt -, »ohne zu wissen, was Hurog dir bedeutet? Nachdem du mir herausgeholfen hattest, dachte ich darüber nach, wieso du dich so dumm stellst, obwohl du es nicht bist, und ich erkannte, dass du vorhattest, alles zu vernichten, was zwischen dich und Hurog geriet. Vater hat seine Kinder zerstört, und du wolltest ihn zerstören.« Er setzte die Harfe ab, stand auf und kam auf mich zu. »Und jetzt hast du mich hier allein. Du solltest dich lieber beeilen. Der Wirt wird bald zurückkommen; er ist unterwegs, um ein neues Fass Bier zu holen.«
Ich starrte ihn an und kam mir ebenso dumm vor, wie ich zuvor getan hatte. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Warum sollte mich interessieren, dass der Wirt auf dem Rückweg war?
»Sieh mal«, sagte ich. »Ich muss verschwinden, egal wie, oder man steckt mich ins Asyl des Königs für unerwünschte Adlige und peinliche Verwandte.
Wenn du nach Estian gehen und dich dort in der Halle der Bänkelsänger ausbilden lassen willst, kann ich dir das Geld dafür geben. Der Küfer kennt viele Leute, er wird eine Eskorte für dich finden. Wenn du Hurog willst … nun, ich glaube, Duraugh ist in Ordnung, aber du solltest eine Weile in der Nähe von Stala bleiben. Ich werde Penrod mit dir zurückschi-cken …« Und Oreg, wenn das möglich war. »Vielleicht auch Axiel.« Wenn er Hurog wollte, würde ich kein Heer brauchen. Ich sah mich um. »Aber ich möchte dich nicht hier lassen, das wäre gefährlich.
Wenn du irgendwo anders hin willst …« Ich hielt mitten im Satz inne, denn plötzlich dämmerte mir, was er zuvor wirklich gemeint hatte. »Du glaubst, ich bin hier, um dich umzubringen.«
Ich musste wirklich dumm sein, dass ich so lange gebraucht hatte, um das zu verstehen. Aber der Gedanke, meinen Bruder umzubringen, war so weit von der Wahrheit entfernt, dass ich nie gedacht hätte, er könnte so etwas glauben.
Tosten, der mir ins Gesicht sah, begriff das nun ebenfalls.
»Es tut mir leid«, flüsterte er. Er bewegte die Hand, als wolle er sie mir entgegenstrecken, aber dann riss er sie zurück und packte die Harfe so fest, dass es wehtun musste.
Mir war schwindlig von dem plötzlichen Einblick in seine Vorstellung von mir als jemand, der so angestrengt um Hurog kämpfte und so darin verbissen war,
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