Drachenzauber
leeren Zelt um und versuchte, mich zu erinnern, was ich letzte Nacht gefeiert hatte.
»Eure Männer sind bereits aufgestanden und kämpfen. Der kleine Kerl, der offenbar den Befehl hat, sagte mir, ich würde Euch hier finden. Mein Vater hat ein Dorf, in das er uns schicken will.«
Ich hatte nicht gerade gefeiert, aber Stala und ich hatten noch bis spät in die Nacht über Erdricks Tod und die Politik in Oranstein gesprochen. Mein Körper bestand darauf, dass er noch ein paar Minuten brauchte, um zu sich zu kommen, aber es sah nicht so aus, als würde Tisala mir meine Ruhe gönnen. Also stand ich steif auf und umfasste meine Zehen ein paarmal, um mich zu strecken. »Oransteiner haben elend lange Namen, und sie kürzen sie nie ab«, sagte ich, um sie von meinem Zustand abzulenken. »Ich nehme an, ich könnte Euch Tissa oder Lally nennen.«
»Nicht, wenn Ihr Eure Zunge behalten wollt«, erwiderte sie. Ich glaubte, die Spur eines Grübchens in ihrem Gesicht zu erkennen, aber sie klang vollkommen ernst.
»Ihr seht dumm aus«, erklärte Tisala, die neben mir ritt. Inzwischen wusste ich, dass Haverness’ Definition einer ›kleinen Truppe‹ offenbar ein wenig anders lautete als meine. Zusätzlich zu meinen sieben Leuten hatte Haverness seine Tochter und ihre fünfzig eingeschworenen Männer geschickt.
»Dumm«, wiederholte sie und schüttelte den Kopf.
Ich dachte daran, ein bisschen zu schielen und zu sabbern, aber sie brauchte keine solche Ermutigung, um fortzufahren.
»Ich glaube, es sind die Augen. Niemand würde von einem Mann mit solchen Wimpern auch nur eine Spur von Intelligenz erwarten.« Ihre Ablehnung war eindeutig.
Ich fragte mich, was sie wohl glaubte, dass ich gegen meine Wimpern tun sollte.
»Danke«, murmelte ich. »Aber ich dachte immer, es sei die Farbe.« Sie hatte ebenfalls braune Augen.
Ich fragte mich, ob sie die Beleidigung verstand.
»Vielleicht liegt es auch daran, dass Ihr so viel größer seid als die anderen«, fuhr sie fort und spähte eine Weile in den Wald, aber nicht, bevor ich das verräterische Grübchen wieder bemerkt hätte.
»Bedeutet groß dumm?« Ich entspannte mich erfreut, als mir klar wurde, dass sie mich einfach nur neckte. Es gab mir etwas zu tun, um nicht mehr an meinen toten Vetter und meine von zu wenig Schlaf schmerzenden Augen zu denken.
»Alle erwarten, dass große, kräftige Leute träge und stumpfsinnig sind«, sagte sie. Ich bemerkte nicht, dass sie das Gewicht verlagert hätte, aber ihr dünner, schmalhüftiger Hengst bog den Hals und kam näher. Es hätte mich überrascht, wenn dieses Pferd auch nur die Hälfte von Blümchens Gewicht gehabt hätte. Tisala wirkte auf seinem Rücken, als wäre sie zu groß geraten. Komisch, ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht, wie groß sie war, aber sie hatte die gleiche Größe wie ihr Vater, der als hoch gewachsener Mann galt, obwohl er mir nur ein wenig über die Schulter reichte. Es konnte für eine Frau nicht einfach sein, so groß zu sein wie ein Mann.
»Träge, wie? Und stumpfsinnig?«, fragte ich.
Sie musste meiner Stimme angehört haben, dass ich sie verstanden hatte, denn nun reckte sie das Kinn und runzelte die glatte Stirn.
Ich grinste. »Es würde vielleicht helfen, wenn Ihr ein richtiges Pferd hättet und nicht dieses dünne, krummbeinige Pony.« Tatsächlich war es nicht einmal besonders krummbeinig, nur gerade genug, dass sie es wusste - und unsere Neckereien auf ein Thema lenkte, das ihr weniger unangenehm war.
»Besser ein krummbeiniges Pony als einen drögen Ackergaul.« Die Kälte in ihrer Stimme hätte einen Töpferofen mit Reif überzogen.
Dröge?, dachte ich. Aber als ich mir Blümchen ansah, musste ich zugeben, dass ihre Beobachtung durchaus zutraf. Er achtete nicht auf ihren Hengst und bewegte sich so entspannt, dass man ihn tatsächlich für ein Zugtier halten konnte. Zu dem Bild passten auch die langen Grashalme, die aus seinem Maul hingen. Er musste sie abgerissen haben, als ich nicht auf ihn geachtet hatte. Von dem mörderischen Ungeheuer, das meine Stallknechte in Angst und Schrecken versetzt hatte, war nicht viel geblieben - jedenfalls nicht an diesem Morgen.
»Er heißt Blümchen«, erklärte ich mit gekränkter Würde. »Wenn Ihr ihn schon beleidigen wollt, solltet Ihr wenigstens seinen Namen kennen.«
Ciarra, die auf meiner anderen Seite ritt, lachte leise.
Tisala schaute von meiner Schwester zu mir, nickte Ciarra zu und sagte: »Euer Bruder kann einen wirklich
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