Dracula II
jetzt…
Meine Gedanken stockten, denn aus dem Hintergrund des saalgroßen Raumes vernahm ich Schritte.
Nicht schleifend, wie man bei einem Blutsauger eigentlich hätte vermuten können, nein, dieser Ankömmling trat hart auf, als wollte er mit jedem Schritt eine Botschaft verbreiten.
So ähnlich mußte es auch sein, denn je näher er mir kam, um so dichterstand ich einem fürchterlichen Ende als Mensch gegenüber und das, wo ich meine Waffen trug.
Es war für mich nicht einfach, über das Licht hinwegzuschauen und genaue Einzelheiten im Hintergrund zu erkennen. Die Schritte blieben, sie kamen auch näher, und der Steinboden gab die harten Geräusche als ihre Echos weiter.
Vor mir und hinter den aufgebauten Kerzen traten einige Vampirmönche zur Seite und schufen eine Lücke, damit er, Dracula II, ohne Schwierigkeiten nahe an mich herantreten konnte.
Obwohl ich nur seinen Umriß sah, wußte ich genau, daß es sich bei dieser Gestalt nur um Will Mallmann handeln konnte. Ich kannte ihn schließlich lange genug, wußte, wie er ging, und das hatte sich auch als Vampir nicht geändert.
Er schritt zumeist etwas wiegend und bewegte dabei seine Arme schaukelnd hin und her. Wie immer bevorzugte er die dunkle Kleidung. Ob grau oder schwarz, war nicht auszumachen, aber ich sah sein bleiches Gesicht mit dem schwach leuchtenden D auf der breiten Stirn. Und die Leuchtkraft des Ds verstärkte sich. Als wäre aus dem Kopf hervor Blut in den Buchstaben hineingeflossen, so trat es von Sekunde zu Sekunde deutlicher hervor.
Das gleiche geschah bei seinen Dienern. Auf ihren Stirnen erschien jeweils dieser Buchstabe. Für mich ein äußeres Zeichen, wie stark Mallmann und seine Diener miteinander verbunden waren. Mallmann hielt seine Hände vor dem Körper. Nur undeutlich entdeckte ich die Umrisse eines bestimmten Gegenstands, der mir vorkam, als wäre er ein großes Kreuz.
In meiner Kehle spürte ich das Kratzen, der Druck verstärkte sich, und ich atmete heftiger. Sollte es dem verfluchten Blutsauger tatsächlich gelungen sein, das Kreuz zu überwinden? Allein die Vorstellung daran ließ mich frösteln und trieb den Schauer der Furcht in mir hoch. Schließlich blieb er stehen. Durch die Lücke schaute er mich an. Um seine Mundwinkel zuckte es. Die Pupillen lagen wie zwei dunkle Knöpfe in den Höhlen.
»So ist es richtig, Sinclair. Genau so habe ich es mir vorgestellt. So wollte ich dich haben. Am Boden, fast zerstört, hilflos und deprimiert.« Er lachte schrill, was ich von ihm als Mensch nicht gekannt hatte. Dann schüttelte er den Kopf und legte ein Faltenmuster auf seine Stirn, wobei sich das D veränderte und aussah, als bestünde es aus Gummi. »Bevor ich mich mit dir beschäftige, werde ich dir etwas zeigen, das wahrscheinlich dein gesamtes bisheriges Weltbild zerstören wird. Schau her, was ich hier habe.«
Ich mußte hinsehen, ich wollte es auch.
Mallmann riß den Gegenstand in die Höhe, den er bisher versteckt gehalten hatte.
Es war ein Kreuz!
Groß, größer als ein normales, aus sehr breiten Balken bestehend, so daß es praktisch sein gesamtes Gesicht verdeckte.
Noch verbarg, denn er hatte mir etwas versprochen, hatte von einem Weltbild geredet, das auf meiner Seite zusammenbrechen würde. Und er hatte nicht gelogen.
Aus seinem Maul drang ein irrer Schrei. Gleichzeitig füllte sich das Holzkreuz mit einem grünbleichen Licht, und innerhalb der Balken zeichnete sich geisterhaft fahl die unheimliche Vampirfratze des Will Mallmann ab.
Für mich war es ein Schock, dies zu erleben. Die beiden bösen Augen verteilten sich in den waagerechten Balken, die Nase befand sich in der Mitte, die Stirn höher, aber der breite, offene Mund verdeckte die Fläche des unteren Balkens. Er war weit geöffnet, ich starrte gegen die fürchterliche Zahnreihe mit den beiden langen Bluthauern,, die links und rechts aus dem Oberkiefer hervorwuchsen.
Noch klebten dort rötliche Flecken, und auch an den anderen Zähnen hing noch Blut.
Das Licht blieb. Fahl und schaurig zeichnete es jede Kontur in der Vampirfratze nach.
Für mich war es zugleich eine Botschaft. Der Sieg des Bösen über das Gute. Was ganzen Heerscharen von Blutsaugern nicht gelungen war, hatte Will Mallmann geschafft. Selbst Dracula war am Kreuz verzweifelt, sein Nachfolger beherrschte es.
Mallmann hatte mit seiner Prophezeiung tatsächlich richtig gelegen. Für mich brach in diesen langen Sekunden ein Weltbild zusammen. Dieses von einer Vampirfratze beherrschte
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