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Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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vorgestellt hatte,
     so anders als das Bild von dem Scheusal, das meiner ahnungslosen, unschuldigen Freundin aufgelauert hatte. Ich erinnerte mich
     auch an gewisse seltsame Verhaltensweisen, die Lucy an den Tag legte und die darauf schließen ließen, dass sie sich sehr wohl
     genau daran erinnerte, was in jener Nacht und in weiteren Nächten geschehen war. Ich hatte damals das Gefühl gehabt, als wollte
     sie etwas vor mir verbergen.
    »Ich habe sie dir am nächsten Tag im Pavillon vorgestellt«, sagte ich langsam, während ich mein Weinglas absetzte. »War um hat sie dich nicht wiedererkannt?«
    »Ich denke, sie hat mich erkannt, irgendwo in einem Winkel ihrer Erinnerung. Aber ich habe mich ihr auf der Klippe nicht in
     der Gestalt gezeigt, in der du mich kennengelernt hast.«
    Ich schaute ihn an und fragte mich, ob er in jener Nacht auch |309| nur annähernd wie der ältere Herr ausgesehen hatte, der Jonathan und mir in Piccadilly begegnet war. Ich sagte: »Ich habe
     Lucy in unserem Zimmer eingeschlossen, um sie zu schützen, und doch bist du als Fledermaus zu ihr zurückgekehrt.«
    »Sie hat mich darum gebeten.«
    »Dich darum gebeten? Wie?«
    »Ich sagte bereits, dass Lucy einen starken Willen und eine empfindsame Seele hatte. Gewöhnlich kann ich die Gedanken anderer
     Menschen nicht hören, ihre dagegen hörte ich sehr wohl. Ich vermute, dass sie sich deswegen trotz meiner Versuche, die Begebenheit
     aus ihrem Gedächtnis zu löschen, durchaus an die Augenblicke erinnerte, in denen ich von ihrem Blut getrunken habe. Sie hat
     wohl den ersten Blutaustausch genossen und sich nach mehr gesehnt. Und ich brauchte Blut. Warum sollte ich nicht nehmen, was
     mir so großzügig angeboten wurde? Du kannst mir glauben, dass die Blutmenge, die ich in Gestalt einer Fledermaus von Lucy
     getrunken habe, nicht einmal einem Säugling abträglich gewesen wäre, viel weniger einer jungen Frau ihres Alters und ihrer
     Größe. Es ist mir rätselhaft, warum Lucy in Whitby immer kränklicher wurde. Vielleicht war ihre Gesundheit anderweitig angegriffen,
     oder sie hatte wie ihre Mutter ein Herzleiden. Warum sie in London krank wurde, habe ich dir ja bereits erklärt. Dort habe
     ich sie nur besucht, weil ich sie nach mir rufen hörte, und ich dachte, auf diese Weise könnte ich vielleicht etwas über dich
     erfahren.«
    »Über mich?«
    »Ich habe mich gequält. Ich wollte unbedingt herausfinden, ob du in Budapest angekommen und in Sicherheit warst, ob du geheiratet
     hattest oder nicht … Lucy hat sich in Hillingham mit mir im Garten getroffen. Zu meiner Enttäuschung hatte sie auch noch nichts
     von dir gehört. Sie hatte mir keinerlei Neuigkeiten mitzuteilen. Ich ging wieder fort, aber sie war keineswegs schüchtern,
     deine Lucy. Ich glaube, sie bildete sich ein, ein bisschen in mich verliebt zu sein. Sie |310| rannte hinter mir her und zog mich in die Arme, bestand darauf, dass ich sie erneut biss, gleich auf der Stelle. Sie hätte
     sich danach gesehnt, meinte sie. Und in der Verfassung, in der ich war, nun, ich will es so sagen: Ich war nicht in der Laune,
     ihr das abzuschlagen. Die nächsten zehn Tage hatte ich hier und anderenorts zu tun und war mir nicht bewusst, dass dein Dr.
     van Helsing sie mit seinen unseriösen medizinischen Experimenten umbrachte.«
    Wieder hatte es mir die Sprache verschlagen. Alles, was Dracula über Lucys Wesen gesagt hatte, klang völlig plausibel. Und
     wer konnte ihre Sehnsüchte besser verstehen als ich, obwohl ich doch seinen Vampirbiss erst einmal erlebt hatte! Mir schossen
     Tränen in die Augen. Wütend und traurig dachte ich: O Lucy, Lucy! Wir haben uns beide in denselben Mann verliebt. Und du musstest
     deswegen dein Leben lassen!
    »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Ich habe dich traurig gemacht. Ich weiß, wie sehr du deine Freundin geliebt hast. Du musst
     sie sehr vermissen.«
    »Ich bin traurig, aber auch wütend! Selbst wenn sich alles genau so abgespielt hat, wie du es schilderst, bleibt doch die
     Tatsache, dass Lucy niemals so bleich ausgesehen hätte, dass sie eine Bluttransfusion brauchte, wenn du nicht gewesen wärst!«
    Plötzlich flackerte etwas ungeheuer Bedrohliches in seinen Augen auf. Er wandte den Blick ab, hatte die Lippen zu einer schmalen
     Linie zusammengepresst. Zornig erwiderte er: »Sie hat keine Bluttransfusion
gebraucht
. Es mag sein, dass ich Lucy in jener Nacht mit weniger Blut in den Adern zurückgelassen habe, als es ratsam gewesen wäre.
     Das

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