Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
und Ulmen aus dem Park ein. Die Färbung der Laubbäume schlug schon um, der alljährliche
     Übergang von Grün zu dramatischen Rot- und Goldtönen hatte begonnen. Tief stand die Nachmittagssonne am dunstigen Himmel.
     Die Luft war noch angenehm warm und vom Gesang der Vögel erfüllt. In der Ferne hörte man Schafe blöken. Ich gestattete mir
     einige Minuten lang, zu vergessen, warum ich hergekommen war, und genoss einfach nur das Vergnügen, wieder auf dem Land zu
     sein.
    |213| Sobald ich die Straße erreicht hatte, fiel mir ein, dass Dr. Sewards Anwesen unmittelbar an den Landsitz angrenzte, der nun
     dem Grafen Dracula gehörte. Dr. Seward hatte mir aus der Kutsche heraus das Haus gezeigt, als wir bei meiner Ankunft dort
     vorbeifuhren.
    Mein Herz begann erregt zu pochen. Sollte ich es wagen, das Grundstück zu erkunden? Der Doktor hatte mir gesagt, dass nebenan
     noch niemand eingezogen war. Aber was war, wenn er sich irrte? Meine Neugierde auf diesen Ort war so groß, dass ich meine
     Ängste hintanstellte und die Straße hinuntereilte, um mir die große Steinmauer näher anzusehen, die das Nachbargrundstück
     völlig zu umschließen schien. Sie war mindestens zehn Fuß hoch und wurde von einem sehr alten, rostigen Eisentor unterbrochen,
     das mit Kette und Schloss zugesperrt war. Enttäuscht begriff ich, dass mir jegliche weitere Erkundung unmöglich sein würde.
    Ich schaute durch die eisernen Gitterstäbe des Tores. Das Anwesen sah genauso aus, wie Jonathan es beschrieben hatte. Eine
     lange, von Unkraut überwucherte Einfahrt führte durch ein weites Gelände, das dicht mit Bäumen bewachsen war. Auf der einen
     Seite konnte ich durch das Laub hindurch einen Teich ausmachen; dahinter war das Haus zu erkennen. Es hatte vier Stockwerke
     und war sehr groß und alt. Deutlich war zu sehen, dass im Laufe der Jahre Anbauten in den verschiedensten Baustilen hinzugefügt
     worden waren. Ein Teil schien gar aus dem späten Mittelalter zu stammen. Er war aus ungeheuer dicken Steinblöcken errichtet
     und hatte mit massiven Stangen vergitterte Fenster.
    Insgesamt wirkte das Anwesen vernachlässigt und verlassen. Die Wäldchen, die es umsäumten, waren gespenstisch still. Falls
     der Graf hier seinen Wohnsitz genommen hatte, gab es dafür keinerlei Anzeichen.
    Trotz alledem hatte ich, während ich vor dem Tor stand und hineinschaute, das eigenartige Gefühl, beobachtet zu werden – ein
     Gefühl, das ich seit jenem Morgen vor beinahe |214| zwei Monaten nach dem großen Sturm in Whitby nicht mehr verspürt hatte. Mein Herz vollführte einen Sprung, als meine Blicke
     wie durch einen Zauber zu einem der Fenster im oberen Geschoss des uralten Gebäudes gezogen wurden. Stand dort jemand oder
     war es ein Schatten? Ein kaltes Schaudern durchlief mich. Dann musste ich über meine Narrheit lachen. Es war gewiss nur die
     wässrige Sonne des Spätnachmittags, die Lichtkringel auf die schmutzigen Scheiben malte.
    Ich wandte mich von dem alten Anwesen ab und spazierte über die schmale Allee zur Hauptstraße. Fünfzehn Minuten später hatte
     ich den Ortskern von Purfleet erreicht. Da Dr. Seward und ich vom Bahnhof geradewegs zu seinem Haus gefahren waren, hatte
     ich nur einen flüchtigen Blick auf das hübsche Dörfchen an der Themse und auf die Kreidefelsen in der Ferne werfen können.
     Nun sah ich, dass es ein sehr idyllischer Ort war, ein Dörfchen mit einigen wenigen verstreuten Häuserreihen, mehreren kleinen
     Geschäften und einem Royal Hotel, das »Weltberühmte Fischgerichte« anpries. Ansonsten war nichts von großem Interesse zu erspähen,
     das mich längere Zeit beschäftigt hätte.
    Als ich mich dem Bahnhof näherte, überholte ich eine junge Frau, die ein kleines Mädchen an der Hand führte. Aus ihrem Gespräch
     wurde klar, dass es sich um Mutter und Tochter handelte und dass sie sehr vertraut miteinander waren. Neid ergriff mich bei
     diesem Anblick. Meine Gedanken wanderten zu dem Brief meiner Mutter Anna, den ich inzwischen beinahe auswendig hersagen konnte.
     »Ich habe deinen Vater geliebt. Er hieß Cuthbert. Ich glaube, er hat mich wirklich eine Zeitlang ebenso geliebt. Ich war damals
     Hausmädchen in Marlborough Gardens, Belgravia. Die beiden Jahre dort waren die glücklichsten meines Lebens …«
    Plötzlich ertönte ein schriller Pfiff, und ein Zug hielt am Bahnsteig. Ich sah, dass er nach London weiterfuhr. Es war keine
     lange Reise. Bis zum Abendessen hatte ich noch mehrere Stunden Zeit. Mir

Weitere Kostenlose Bücher